Kultur blüht wie nie – auch ohne öffentliche Gelder


Marl (eib). Gibt es gute Kultur nur für viel Geld? Marl zeigt, wie man mit knappen Kassen und viel Engagement das Angebot sogar noch steigern kann. Die anderen Kreisstädte können sich von der Vielfalt eine gehörige Scheibe abschneiden.

Vor 50, 40 und 30 Jahren war es überhaupt kein Problem, Qualität im Überfluss anzubieten: Marl gehörte zu den reichsten Städten Deutschlands, ließ Star-Architekten wie Scharoun eine Schule bauen, leistete sich ein eigenes Theater, unterhielt mit der Philharmonia Hungarica (PH) ein eigenes Orchester, stellte im Stadtgebiet Skulpturen auf und etablierte den Grimme-Preis.

Weil sich die Stadt nur schwer vom hohen Niveau trennen konnte, machte sie erst Schulden und trennt sich nun von manchen Errungenschaften. Seitdem wird auch die Kultur in Gefahr gesehen: Soll etwa die Bücherei geschlossen werden? Wo bleibt die Museums-Erweiterung? Muss man auf den Zweit-Standort für die Ruhrfestspiele verzichten?

Letzteres ist exemplarisch für die Kultur-Entwicklung: Die Bürgermeisterin winkte ab, dafür habe die Stadt kein Geld. Stattdessen übernahm das privat organisierten Klassik-Festival die Aufgabe: Im Yehudi-Menuhin-Forum wird es 30 Aufführungen geben.

Überall in Marl nehmen die Bürger ihre Sache selber in die Hand. Neben dem Yehudi-Menuhin-Forum gibt es noch das Menuhin-Haus in Alt-Marl. Die Musikgemeinschaft hat einen bedeutenden Ruf. Der Dirigent Armin Klaes will eine Kultur-Vernetzung in Marl. Die Paracelsus-Klinik schmückt sich mit einem Meistermann-Glasbild. Der Heimatverein hat 800 Mitglieder und mehrere Dependancen in der Stadt. Die Kinderbücherei hat einen eigenen Standort.

„Es gibt keine andere Stadt im weiten Umkreis, die so eine kulturelle Dichte hat“, hört Hubert Schulte-Kemper nicht auf zu predigen. Überall gibt er Anstöße, kümmert sich um Finanzierungsmöglichkeiten und wettert energisch, wenn wieder einmal von der Bedrohung der Kultur die Rede ist – nur weil gespart werden muss.

Es gibt genug Engagement in der Stadt. Er weiß, wovon er redet, weil er oft mitmischt (weil man ihn gerne mit ins Boot nimmt). Die verfallene Friedhofskapelle in Brassert wird zu einem Begegnungszentrum hergerichtet. Die Scharounschule kann mit Landesmitteln neuen Aufgaben zugeführt werden. Im Sommer gibt es 33 Konzerte in besonderen Gebäuden längs der Lippe. 200 bis 300 Kultur-Veranstaltungen kann Marl jedes Jahr bieten. Das Theater läuft gut, der Eintritt ins Skulpturen-Museum ist frei.

Von einem Sterben der Kultur bei leeren Kassen ist in Marl überhaupt nichts zu sehn. Gleichwohl ist das kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen. Schulte-Kemper regt ein „Kultur-Parlament“ an, in der die Veranstalter ein Kultur-Marketing bündeln. Und beim Sponsoring müssten auch neue Wege gegangen werden. Wenn die Stadt weniger Geld im Topf habe, dann müsste eben die Töpfe des Landes stärker angegangen werden.

Marls Kultur-Landschaft ist putzmunter. Weil die Macher ihre eigenen Kräfte in die Aufgaben stecken. Und nicht in erster Linie auf öffentliche Finanzspritzen schielen.

Samstag, 26. April 2008, 16:32 • Verfasst in Vest

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