FAS im Auto: „Mal Butler, mal Lebensretter“

Sie parken ein, überwachen den Toten Winkel, verhindern Unfälle, retten Leben – und verhalten sich ansonsten vollkommen unauffällig. Fahrerassistenzsysteme sind aus modernen Autos nicht mehr wegzudenken, doch die technische Entwicklung ist so rasant, dass mancher den Überblick verliert, welche Systeme verfügbar sind und für welchen Fahrertyp sie entwickelt wurden. Am Ratgebertelefon brachten Experten des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) und seiner Partner unsere Leser auf den neuesten Stand. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Nachlesen.

Für Vielfahrer mögen Fahrerassistenzsysteme ja Sinn machen. Ich nutze mein Auto aber nur zum Einkaufen und gelegentlich für Ausflüge…

Welf Stankowitz, Deutscher Verkehrssicherheitsrat: Unfälle passieren eher auf Kurzstrecken und sie betreffen eher Gelegenheitsfahrer, wie die Erfahrung zeigt. In beiden Fällen machen Assistenzsysteme das Fahren sicherer. So gibt es beispielsweise speziell für den Stadtverkehr ausgelegte Notbremssysteme, die Auffahrunfälle wirksam vermeiden. Solche Systeme können auch Fußgänger und Radfahrer erkennen und warnen den Fahrer, bevor es zu einer Kollision kommt.

Muss ich bei einem Abstandsregeltempomaten überhaupt noch bremsen?

Michael Meyer, Robert Bosch GmbH: Grundsätzlich nein. Sie stellen nur die gewünschte Geschwindigkeit und den Abstand ein, den ihr Fahrzeug zu vorausfahrenden Fahrzeugen haben soll – alles andere regelt das System. Schert beispielsweise ein Fahrzeug vor Ihnen ein, bremst das System Ihr Fahrzeug ab und stellt den notwendigen Sicherheitsabstand wieder her. Umgekehrt beschleunigt das System auch erneut bis zu Wunschgeschwindigkeit, wenn vor Ihnen wieder freie Fahrt ist. Neben dem Komfort sorgt das System so dafür, dass gefährliche Auffahrsituationen seltener werden.

Greift ein Spurhalteassistent tatsächlich ins Lenkrad ein?

Harald Barth, Valeo: Ja, er lenkt Sie tatsächlich in die Spur zurück, wenn Sie Gefahr laufen, diese unabsichtlich zu verlassen. Vorher wird er Sie in aller Regel warnen, entweder mit einem Warnton oder über eine Vibration des Lenkrads. Ältere Systeme, so genannte Spurverlasswarner, beschränken sich aufs Warnen.

Wie stark verkürzt ein Notbremsassistent den Bremsweg?

Michael Meyer: Wir wissen aus der Forschung, dass bei Auffahrunfällen rund ein Drittel der Fahrer gar nicht und die Hälfte nicht ausreichend stark bremst. Der Rest legt zwar eine Vollbremsung hin, aber zu spät. Genau hier hilft der Notbremsassistent: Er warnt den Fahrer rechtzeitig in einer kritischen Situation und unterstützt ihn bei der Bremsung so, dass der notwendige Bremsweg erreicht wird. Je nach System wird die Bremsung bereits während der Reaktionszeit des Fahrers eingeleitet, um wertvolle Zeit zu gewinnen.


Diese drei Spezialisten standen unseren Lesern Rede und Antwort. Von l.n.r.: Michael Meyer, Welf Stankowitz, Harald Barth.

Gibt es für das Einparken unterschiedliche Systeme?

Harald Barth: Vier, um genau zu sein. Eine Einparkhilfe warnt über Abstandssensoren, wenn es beim Einparken eng wird. Ein Einparkassistent vermisst die Parklücke und übernimmt beim Einparken die Lenkung – Brems- und Gaspedal bedienen Sie selbst. Eine Rückfahrkamera zeigt Ihnen auf einem Bildschirm den Bereich direkt hinter dem Fahrzeug, den Sie ansonsten nicht einsehen könnten. Und schließlich gibt es Umfeld-Kamerasysteme, die das gesamte Fahrzeugumfeld in einer Art Vogelperspektive abbilden, indem sie mehrere Kameras nutzen. Als sinnvoll hat sich die Kombination aus beiden Systemen erwiesen, also Abstandssensoren plus Kamera.

Ich fahre gerade im Winter ungerne bei Dunkelheit und Nässe, weil die Sicht so schlecht ist. Bringt mir ein Fahrerassistenzsystem da etwas?

Harald Barth: Besonders zwei Systeme sind in diesen Fahrsituationen hilfreich: Moderne Lichtsysteme sorgen für beste Sicht bei allen Lichtverhältnissen. Und der Spurwechselassistent stellt sicher, dass die Risiken beim Wechsel der Fahrbahn minimiert werden. Denn bei schlechter Sicht ist es oft schwer einzuschätzen, wie schnell ein von hinten kommendes Fahrzeug unterwegs ist und wie weit entfernt.

Erhöht ein Fahrerassistenzsystem den Wiederverkaufswert eines Fahrzeugs?

Welf Stankowitz: Bei Fahrzeugen der oberen Mittelklasse und der Oberklasse sind solche Systeme fast schon Voraussetzung für einen Wiederverkauf. Hinzu kommt, dass die Verbreitung von FAS über alle Fahrzeugklassen hinweg zunehmen wird und den Wert beim Wiederverkauf so erhöht.

Woher weiß der Müdigkeitswarner, wann ich eine Pause brauche?

Welf Stankowitz: Der Müdigkeitsassistent misst permanent Fahrzeugdaten, zum Beispiel das Brems- und Lenkverhalten. Weicht der Fahrer von voreingestellten Werten ab, die auf eine Ermüdung hinweisen, reagiert das System mit der Empfehlung, eine Pause zu machen.

Welchen Bereich deckt ein Spurwechsel-Assistent ab?

Michael Meyer: Er deckt die Fahrspuren rechts und links von Ihrem Fahrzeug ab – den Bereich des so genannten Toten Winkels ebenso wie den Verkehrsraum bis zu 70 Meter hinter Ihrem Fahrzeug. So werden zwei klassische Unfallsituationen vermieden: das Übersehen eines Fahrzeuges und die Fehleinschätzung der Geschwindigkeit, mit der sich Fahrzeuge von hinten nähern. Das System informiert den Fahrer zunächst und warnt ihn dann bei einem kritischen Spurwechsel.

Kann man Fahrerassistenzsysteme auch nachträglich einbauen lassen?

Harald Barth: Einige lassen sich nachrüsten, zum Beispiel Abstandssensoren zum Einparken, Rückfahrkameras und sogar Spurverlass- und Auffahrwarner. Andere Systeme müssen mit anderen Fahrzeugsystemen verbunden sein und lassen sich deshalb nicht nachträglich einbauen.

Können Fahrerassistenzsysteme „irren“?

Welf Stankowitz: Die Systeme sind technisch sehr ausgereift und kontrollieren sich permanent selbst. Dennoch gilt: Ein technischer Defekt kann bei keinem System mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden. Festzuhalten bleibt, dass der Fahrer selbst in der Verantwortung für sein Handeln steht – und nicht das Fahrerassistenzsystem. Mit anderen Worten: Das System unterstützt den Fahrer – es ersetzt ihn nicht. Der Chef im Auto sind und bleiben Sie!

Ich bin viel auf der Autobahn unterwegs. Welche FAS sind für mich sinnvoll?

Michael Meyer: Auf jeden Fall sollte Ihr Auto – unabhängig von der Fahrstrecke – über einen vorausschauenden Notbremsassistenten verfügen. Für Fahrer mit hohem Autobahnanteil empfehle ich zusätzlich einen Abstandsregeltempomaten, der in der Regel über eine Notbremsfunktion verfügt. Außerdem sollten Sie über einen Spurhalte- und Spurwechselassistenten nachdenken sowie über eine Verkehrszeichenerkennung. Wenn Sie häufig nachts oder auf sehr langen Strecken unterwegs sind, ist zudem ein Müdigkeitswarner eine hilfreiche Option.

Ich will nächstes Jahr ein neues Auto kaufen – worauf sollte ich beim Lichtsystem achten?

Michael Meyer: Beim Licht geht es vor allem darum, die maximale Ausleuchtung zu erreichen, die der Verkehr zulässt. Moderne Systeme schalten nicht nur selbstständig das Licht ein, sondern regeln die Ausleuchtung abhängig vom vorausfahrenden und entgegenkommenden Verkehr. Gerade außerhalb von Ortschaften sorgen diese Systeme für mehr Sicherheit: Zum einen leuchten sie die Fahrbahn optimal aus, zum anderen vermeiden sie die Blendung anderer Verkehrsteilnehmer, denn ein aktives Umschalten von Abblend- auf Fernlicht ist nicht mehr notwendig. Zusätzlich sorgt Kurvenlicht bei Nacht vor allem auf Landstraßen für sicheres Fahren. Innerorts ist das Abbiegelicht sehr hilfreich, weil es Fußgänger und Radfahrer in Kreuzungsbereichen besser erkennen lässt.

Gibt es FAS speziell für den Anhängerbetrieb?

Harald Barth: Es gibt Hersteller, die in ihre Fahrzeuge spezielle Elektronische Stabilitätsprogramme – so genannte ESP-Systeme – einbauen, die auf die veränderte Fahrdynamik im Anhängerbetrieb eingestellt sind. So verhindert das Zugfahrzeug beispielsweise das gefürchtete Aufschaukeln des Anhängers. Um das Rückwärtsfahren mit Anhänger zu erleichtern, baut Volkswagen in den neuen Passat einen Anhänger-Rangierassistenten ein.

Liest der Verkehrszeichenassistent die Verkehrsschilder oder kommen die Informationen aus dem Navigationsgerät?

Welf Stankowitz: Beides ist möglich, ideal ist die Kombination beider Systeme. Dann gleicht der Assistent das Ergebnis der Kameraerkennung mit dem Navigationssystem ab. So wird die größtmögliche Zuverlässigkeit der Geschwindigkeitsangabe gewährleistet.

Info Lesertelefon „Fahrerassistenzsysteme“

Von ABS bis Xenon:

Alles über die besten Beifahrer

Welches Fahrerassistenzsystem passt zu mir? Welche Systeme sind für mein Wunschauto erhältlich? Wie funktionieren die elektronischen Beifahrer genau? Und was bedeuten Abkürzungen wie ACC, EBA oder TJA? Auf einer Webseite rund ums Thema Fahrerassistenzsysteme hat der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) mit seinen Partnern umfangreiche Informationen zusammengetragen, die sich ebenso an technische Laien wenden wie an Händler und Flottenmanager. Auch als App fürs Smartphone erhältlich.

www.bester-beifahrer.de

Die Experten am Lesertelefon waren:

o Dipl.-Ökonom Welf Stankowitz; Referatsleiter Fahrzeugtechnik, Deutscher Verkehrssicherheitsrat (DVR), Bonn

o Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Harald Barth; Produktmarketing Manager für den Produktbereich Fahrerassistenz, Valeo Schalter und Sensoren GmbH, Bietigheim-Bissingen

o Dipl.-Wirtsch.-Ing. Michael Meyer; Senior Manager Geschäftsbereich Chassis Systems Control, Robert Bosch GmbH, Heilbronn

Dienstag, 9. Dezember 2014, 9:46 • Verfasst in Verschiedenes

Keine Kommentare


Einen Kommentar hinterlassen

Sie müssen eingeloggt sein um einen Kommentar zu hinterlassen.