Marl. Dämme drohten zu brechen, eine Flut von „Ehrenbürgern“ drohte Marl zu überschwemmen. Der Rat hat das nun gestoppt und das Vorauswahl-Verfahren in die Nichtöffentlichkeit gesteckt. Genau genommen sind es keine Marler „Ehrenbürger“ sondern in Marl heißen sie „Träger der Stadtplakette“, um sich von dem einzigen ehemaligen Ehrenbürger Marls abzugrenzen.

15-mal hat die Stadt bislang die Stadtplakette verliehen, die einzige lebende Trägerin ist die CDU-Politikerin Gisela Bueren (86) seit 2001. Doch in diesem Jahr kamen alleine drei Vorschläge auf den Tisch – und wurden erst einmal verschoben.

Im Februar hatte die Bürgerliste Wir für Marl den langjährigen Vorsitzenden der Guido-Heiland-Bad-Initiative, Dieter Real, ins Gespräch gebracht. Siegfried Schönfeld (jetzt „Wir“) schlug Rolf Abrahamson (87) vor, einen der letzten Marler Zeugen der NS-Schreckensherrschaft. Die VHS-Leiterin Dr. Renate Strauch schlug den Heimatforscher Helmut Madynski (83) vor, der (schwer erkrankt) der höchsten Auszeichnung der Stadt würdig sei.

Rat und Bürgermeister – die beiden sind vorschlagsberechtigt – hielten sich zurück, weil bereits an Überlegungen gearbeitet wurde, das Vorauswahl-Verfahren zu verfeinern. Neu ist, dass „in dieser Phase in jedem Fall die Nichtöffentlichkeit gewahrt werden muss“ – womit die bislang öffentlich gemachten Vorschläge erst einmal vom Entscheidungs-Tisch sind. Jetzt muss auch der Ältestenrat über die Vorschläge abstimmen. Ein Gremium, das nichtöffentlich politische Themen vorbespricht. Reichte früher im Rat eine einfache Mehrheit, so müssen es jetzt zwei Drittel sein.

Tatsächlich hatte es in der Vergangenheit schon mal eine „Kampfabstimmung“ gegeben: AV-Arbeitsdirektor Josef Kind erhielt die Auszeichnung 1985 gegen Rats-Widerstände. Weil damals aber Nichtöffentlichkeit selbstverständlich war, wurden die Hintergründe auch nicht allgemein bekannt.

Auch die Vergabe der ersten Stadtplakette würde bei weitem nicht den heutigen Maßstäben genügen. Am 4. Mai 1964 beschloss der Rat die Einführung der Stadtplakette, am selben Tag noch wurden Prof. Paul Baumann, Vorstandsvorsitzender der CWH, als erster ausgezeichnet.