Die Zuckertüte aus dem Schulkeller

Vest. Bonbons, Lakritz und Spielsachen kamen in die Tüte, Buntstifte und Bastelsachen auch noch. Mit so einer Schultüte begann schon vor 150 Jahren der Aufbruch in die komplizierte Welt der Buchstaben und der Zahlen. Sie sollte den ABC-Schützen den „schmerzhaften“ Schritt in die Schule versüßen.

Heute kommt die Schultüte meist aus dem Kaufhaus, manchmal auch aus der elterlichen Bastelstube. Aber früher wuchsen sie auf Bäumen. Das glaubten zumindest viele Kinder. Denn der Fabel nach wuchs im Schulkeller ein Baum, von dem der Lehrer braven Kindern eine Zuckertüte abpflückte.

Der Brauch, Kindern zum Schulbeginn Süßigkeiten zu schenken, geht ins 19. Jahrhundert zurück, so die Volkskundliche Kommission des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL). „Das Zuckertütenbuch für alle Kinder, die zum ersten Mal in die Schule gehen“ aus dem Jahr 1852 in Dresden ist der Beweis dafür: Wer brav war und sich gut benahm, dem pflückte der Lehrer zur Belohnung eine Zuckertüte vom Baum.

Im westfälischen Raum bekamen die Kinder um die Jahrhundertwende zu ihrer Einschulung einen Zuckerstuten, Brezeln, einen Apfel oder eine Birne, in den 30er Jahren kamen die Süßigkeiten in die Tüte. Die typischen Schultüten, wie sie noch heute bekannt sind, gibt es im westfälischen Raum sei den 50er Jahren.

Übergeben wurden die Schultüten meist vom Lehrer – als Motivation für das Lernen. So mancher hatte das auch bitter nötig. Denn damit nicht gleich alle i-Dötzchen am ersten Schultag heulend davonliefen, redete ihnen die Angehörigen wochenlang den Zuckerbaum vor, der mit Naschereien dicht behangen in der Schulstube stehe und nur für die Erstlinge bestimmt sei.

Der Brauch der Schultüte verbreitete sich von Thüringen und Sachsen aus in Deutschland, Österreich und der Schweiz. 19910 stellte der Fabrikant August Nestler Schultüten bereits in Serie her.

Übrigens ging man im 18. Jahrhundert bereits mit fünf Jahren in die Schule. Damals konnten die Kinder bei der täglichen landwirtschaftlichen Arbeit ohnehin noch nicht helfen. Im 19. Jahrhundert stieg das Einschulungsalter auf sechs Jahre an.

1920 trat mit dem Reichsgrundschulgesetz die „Stichtagregelung“ in Kraft: Kinder werden eingeschult, die bis zum 30. Juni sechs Jahre alt geworden sind. Am 7. September 2011 beginnt für sie „der Ernst des Lebens“.

Sonntag, 28. August 2011, 10:33 • Verfasst in Vest

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