Zinswetten bringen der Stadt hohe Verluste ein


Marl. Wer möchte nicht gerne am großen Rad der Finanzwelt mitdrehen und mitkassieren? Auch Marl träumte davon. Jetzt zahlt es bitteres Lehrgeld, in diesem Jahr werden es 4,7 Millionen Euro sein. Das ist der Preis für risikoreiche Geldgeschäfte, die zwischen 2003 und 2008 abgeschlossen wurden. Und die teilweise Laufzeiten bis 2039 haben.

Zum ersten Mal macht die Stadt die exakten Zahlen ihrer Geldgeschäfte öffentlich. Seite 97 im Haushaltsplanentwurf 2010: „Übersicht aller bei der Stadt Marl bestehenden Derivatgeschäfte im Schuldenmanagement“. Dort werden 26 Positionen aufgelistet, aktuelles Restkapital 115 Millionen Euro.

Was sich hinter Fixzinszahler-Swap, CHF-Optionen, Flexi-Swap und 6-M-Euribor versteckt, verstehend wohl nur Fachleute. Eckpunkt sind 50 Millionen Euro, für die die Stadt 5,45 Prozent zahlen muss, im Gegenzug aber weniger als ein Prozent erhält. Macht unterm Strich ein Verlust von 4,7 Millionen Euro.

Dabei sollten es doch eigentlich Gewinne sei, denn die Stadt hatte auf steigende Zinsen gesetzt. In den Reihen der Politiker kommt Verärgerung hoch: Wer hat eigentlich das Missgeschäft zu verantworten?

Vor Jahren hatte es schon einmal eine öffentliche Diskussion gegeben, weil die Politiker sich nicht informiert fühlten über die Geschäfte und ihre Risiken. Das sei Teil der laufenden Verwaltung, beschied die damalige Bürgermeisterin Uta Heinrich und ließ die Vorgänge genehmigen.

Heute betont sie, sie habe nichts mit den Geschäften zu tun gehabt, das habe ausschließlich der damalige Kämmerer Joachim Hasselmann gemacht. Es gebe keine Unterschrift von ihr. Der Rat sei regelmäßig informiert worden, im nichtöffentlichen Sitzungsteil. Die Frage der Verantwortung hätten die Aufsichtsbehörden bereits auf CDU-Antrag hin überprüft, ihr Verhalten sei nicht zu kritisieren, so die Bezirksregierung.

In diesem Jahr fallen für die insgesamt 290 Millionen Euro Schulden, die die Stadt hat, fast zwölf Millionen Euro Zinsen an, so Marls Kämmerer Dr. Michael Gläseker.

Viele Kreisstädte haben sich in Zusammenarbeit mit der West LB an das Thema Schuldenmanagement gemacht, sich aber inzwischen von den Risikogeschäften wieder getrennt. Dorsten nur zum Teil. Dort arbeitet die Kämmerei noch immer im Bereich Währungsgefälle, freut sich Kämmerer Wolfgang Quallo. Unterm Strich blieb wieder ein Gewinn von über einer halben Million Euro. Die Entwicklung sehe auch für die Zukunft günstig aus, weil Dorsten eine andere Art der Zinswette eingegangen ist.

Marl dagegen hängt in einer verhängnisvollen Zwickmühle: Wenn die Zinsen steigen, mindert das die Verluste bei den Derivatgeschäften. Gleichzeitig erhöhen steigende Zinsen auch die Kosten für viele der 290-Millionen-Euro-Kredite. Egal wie es läuft, Marl ist immer der Verlierer.

Kämmerer Dr. Michael Gläseker muss ein schweres Erbe abwickeln. „Es ist eigentlich nicht Aufgabe einer Verwaltung, Risikogeschäfte gegen international tätige Banken einzugehen. Wir müssen damit rechnen, dass die Banken die Entwicklung der Weltwirtschaft besser einschätzen können als wir.“

Sonntag, 21. März 2010, 13:30 • Verfasst in Marl

1 Kommentar:

Marl - Blog - 21 Mar 2010 schrieb,

Pingback • 23. März 2010 @ 21:54

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