25 Jahre kein Urlaub: Waisenhaus für Kakadus

FOTO: Mengedoht

Herten (om). Es ist laut. Genau genommen hat man mitunter Mühe, sich zu verständigen. Die Kakadus von Ute Jercha können mit ihrem Kreischen einen Höllenlärm veranstalten – einer von mehreren Gründen, warum die erfahrene Halterin dieser exotischen Vögel keineswegs jedem raten würde, sie zu halten. Die Papageien kreischen aber nicht aus Unbehagen, sondern weil sie sich wohlfühlen und eventuell noch, weil der Gast in einem anderen Zimmer sitzt und die neugierigen Tiere so nicht mitbekommen, was da Spannendes im Nebenzimmer vor sich geht.

Papageien hält Ute Jercha aus Westerholt seit 25 Jahren – „ich bin im Ruhrzoo groß geworden, meine Mutter hat da früher gearbeitet“, erzählt sie. Mit 21 hat sie ernsthaft begonnen, Amazonen und Nymphensittiche (die auch zur Familie der Kakadus gehören) zu halten, „aber ich hatte immer etwas Angst vor der Herausforderung der eigentlichen Kakadus, weil es so schwierige Vögel sind“.

Wer mit dem Gedanken schwanger geht, sich so ein Tier zuzulegen, muss einiges beachten: Als soziale Tiere brauchen sie zwingend einen Partner. Obwohl sie in der Natur durchaus in Schwärmen leben, funktioniert eine Gruppenhaltung in Gefangenschaft nur selten, meist ist eine Paarhaltung anzuraten. Lautstärke und Nagebedürfnis – das auch vor Möbeln und Gardinen nicht halt macht – sind stärker ausgeprägt als bei anderen Familien der Papageien, sie produzieren mehr Staub, der das Gefieder schützt und pflegt, und dann ist da noch der mitunter schwierige Charakter, wenn sie geschlechtsreif werden.

Jerchas Tiere sind alle „Notfälle“, sie wurden von überforderten Haltern abgegeben, irgendwo gefunden oder waren im Tierheim gelandet. Mit den Tierheimen und -schutzvereinen der Umgebung arbeitet die gebürtige Gelsenkirchenerin auch zusammen, denn die haben meist weder Kapazität noch das nötige Wissen, um die Vögel richtig zu pflegen. Für andere Tiere – Graupapgeien, Aras oder Amazonen – hat Jerchau zwei kooperierende Pflegestellen, nur eine von Geburt blinde Amazone hat sie selbst behalten.

Warum geht das Telefon nicht?

Wenn sie einen Kakadu aufnimmt, „dann bleibt der auch hier“. Unbegrenzt sind ihre Kapazitäten aber nicht, „und ich will auch nicht so ein Fall von ‘Animal Hording’ werden“, lacht sie. „Ich helfe lieber vor Ort, als immer noch mehr aufzunehmen. Fünf der weißen Vögel mit der gelben, charakteristischen Haube hat sie derzeit, für einen wird also noch ein Partner gesucht. „Aber mit den kommenden Ferien erledigt sich das wahrscheinlich ganz schnell“, weiß die engagierte Tierhalterin, wie oft Menschen dann ihre ach so geliebten Tiere einfach aussetzen.

Wie etwa Sancho. Der Timor-Kakadu, etwas kleiner als ihre anderen, ist der frechste und älteste: Rund 50 Jahre hat der kleine Vogel schon auf dem Buckel. „90 bis 100 Jahre alt können Kakadus werden“, berichtet Jercha. Kinder hatten das ausgesetzte Federvieh am Rhein-Herne-Kanal gefunden und ins Tierheim Erle gebracht, von dort kam der Vogel zu Ute Jercha.

Falsche Ernährung, zu kleine Volieren oder zu wenig Freiflug am Tag, Einzelhaltung, Wohnungs- und Halterwechsel, es gibt so manches, was die sozialen Kakadus schnell in psychische Krankheiten treiben kann, was sich dann in noch mehr Lärm und Federnrupfen äußern kann. Jercha hilft nicht nur interessierten Haltern, sondern gibt auch Seminare und arbeitet an ihrem ersten Buch: „Kakadu Max – oder: Wie strapaziere ich meine Besitzerin“. Mit witzigen Geschichten aus dem Alltag („wenn die Tiere mal wieder Unsinn gemacht haben, etwa eine Leitung durchgeknabbert und ich mich mich wundere, warum das Telefon nicht funktioniert“) will Jercha dort unterhaltsam Informationen für andere Halter präsentieren.

Allein lassen kann man diese Tiere jedenfalls nicht länger als ein paar Stunden. Weswegen Jercha seit 25 Jahren keinen einzigen Urlaub mehr erlebt hat! „Vor 15 Jahren hat mein Mann mich vor die Wahl gestellt: ‘Die Vögel oder ich.’ Die Vögel sind noch da“, bemerkt sie lakonisch. Keine zwei Wochen habe es gedauert, bis jeder in der Straße sie kannte. Dauernd kleben vor allem Kinder und Senioren am Fenster und bestaunen die schönen Vögel. „Hier habe ich keine Probleme“, freut sich die Westerholterin über ihre neue Wohnung: „Alle sind nett und interessiert.“

Infos gibt Ute Jercha gern unter Tel. (0209) 399829.

Samstag, 27. Juni 2009, 12:58 • Verfasst in Herten

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