Karstadt: „…sonst sind wir weg“

Sonntagsblatt-Interview zu den Plänen von Karstadt und Multi Development

Funke (l.) und Baule (r.) erläutern Sonntagsblatt-Verleger Dietmar Grone ihre Pläne. FOTO: Mengedoht

Recklinghausen (sl). Multi Development will das Karstadt-Areal übernehmen und dort ein modernes Einkaufszentrum errichten. Einen Ankermieter hat das in Duisburg ansässige Unternehmen auch schon: Karstadt. Das Sonntagsblatt sprach mit Axel Funke, dem Geschäftsführer von Multi Development und Thomas Baule, dem Filialleiter von Karstadt Recklinghausen, über die Pläne der beiden Unternehmen am Markt.

Sonntagsblatt: Herr Baule, haben Sie das Gefühl, in Recklinghausen noch erwünscht zu sein?

Thomas Baule: Einige Äußerungen aus der Politik und der Verwaltung sind schon sehr befremdlich. Lange Zeit hatte man in Recklinghausen die Sorge, Karstadt würde sich aus der Stadt zurückziehen und jetzt, wo wir uns für lange Zeit an den Standorten binden wollen, hören wir, dass Karstadt eigentlich gar nicht so wichtig ist für die Innenstadt ist. Wir warten ab, wie sich die Dinge entwickeln und hoffen darauf, dass Multi Development seine Pläne umsetzt.

Sonntagsblatt: Sie wären dann Mieter in den Räumen von Multi Development?

Baule: Wir würden die gleiche Fläche, die wir im Moment nutzen, von MD mieten und das für einen Zeitraum von 15 Jahren mit der Option auf eine Verlängerung des Vertrages.

Sonntagsblatt: Und wenn das Projekt nicht zu Stande kommt?

Baule: Wir sind ja heute schon Mieter in den Kaufhäusern. Gibt es keine Perspektive mit MD, werden wir von unserem außerordentlichen Kündigungsrecht Gebrauch machen und uns aus Recklinghausen zurückziehen.

Sonntagsblatt: Der Löhrhof wäre keine Alternative?

Baule: Nein, wir bleiben am Markt oder wir sind weg. Der Löhrhof ist eine B-Lage und Karstadt hat keine Interesse an einer B-Lage in Recklinghausen.

Sonntagsblatt: Herr Funke, warum wollen sie unbedingt neu bauen? Wenn sie die vorhandenen Gebäude umbauen würden, gäbe es doch keine Konflikte.

Axel Funke: Die von Karstadt heute genutzten Gebäude, vor allem das Haupthaus, sind nicht umzubauen. Über die Hälfte der vorhandenen Fläche wird im Augenblick als Lager genutzt, weil man sie nicht für den Verkauf herrichten kann. Wir haben haben Bergschäden in erheblichen Maße und auch ästhetisch entsprechen große Teil der Gebäude nicht mehr den heutigen Ansprüchen.

Dazu kommt dass die Verkaufsräume unübersichtlich sind. Wir wollen ein modernes Einkaufszentrum, dass eine, auch architektonisch Qualität besitzt, von der die ganze Recklinghäuser Innenstadt profitiert. Unser Geschäftsmodell funktioniert nur in einer intakten Innenstadt. Wir sehen und immer auch als Stadtendwickler.

Sonntagsblatt: Das unterscheidet sie vom Wettbewerb?

Funke: Eindeutig ja. Ein konventionelles Einkaufszentrum will seine Kunden binden. Die Menschen sollen mit dem Auto ins Parkhaus fahren, dort einkaufen, vielleicht noch was essen oder trinken und dann wieder in den Wagen steigen. Aller Umsatz soll in dem Einkaufszentrum anfallen.

Sonntagsblatt: Aus der Perspektive eines Zentrenbetreibers doch ein durchaus sinnvoller Ansatz. Und auch sie müssen Geld verdienen und das tun sie ja nicht, wenn ihre Kunden an anderen Orten einkaufen.

Funke: Wir sind natürlich kein gemeinnütziger Verein, sondern ein Unternehmen und wir wollen Geld verdienen – aber langfristig. Wir glauben nicht, dass das mit konventionellen Shoppingzentren funktioniert, denn die Menschen sehen sich relativ schnell an ihnen satt. Sie haben keine hohe Aufenthaltsqualität und nicht die Dynamik die eine intakte Stadt besitzt.

Einkaufen ist heute auch eine Freizeitbeschäftigung – die Menschen wollen eine intakte, interessante Umgebung, in der sie dies tun können. Das ist klassischerweise die Innenstadt. In den USA haben sie das erkannt: Weil viele Innenstädte dort unwiederbringlich zerstört wurden, werden heute anstatt der immer gleichen Einkaufszentren künstliche Innenstädte gebaut.

Das müssen wir in Europa nicht – und schon gar nicht in Recklinghausen: Die Stadt hat eine schöne, klassische Innenstadt mit Fachwerkhäusern und einer besseren Architektur als Bochum, Essen oder Dortmund. Wir wollen sie mit unserem Projekt noch steigern. Davon werden alle profitieren: Der angestammte Einzelhandel, wir natürlich und die ganze Stadt. Wir wollen eine Tiefgarage in der Innenstadt – das lenkt die Besucher in die City. Und wir wollen die Schaumburgstraße neu gestalten.

Sonntagsblatt: Sie wollen sie privatisieren?

Funke: Nein, sie bleibt städtisches Eigentum. Wir wollen sie etwas schmaler machen und überdachen. Heute ist die Schaumburgstraße unattraktiv. Das wollen wir ändern. Sie bleibt eine städtische Straße, für alle begehbar, wird kein Teil unsere Einkaufszentrums, aber wir bezahlen den Umbau. Für die Stadt kein schlechtes Geschäft.

Sonntagsblatt: Vielleicht fühlt die Stadt sich von Ihren Plänen überfahren?

Baule: Nein, wir standen immer in Kontakt mit der Stadt. Auch Bürgermeister Pantförder weiß seit dem vergangenen Jahr von unseren Plänen.

Funke: Wir konnten sie nur nicht früher veröffentlichen, weil die Besitzverhältnisse der Immobilie geklärt werden mussten – aber auch das wusste die Stadt. Im Frühjahr waren wir dann bei Herrn Pantförder und haben unsere Pläne detailliert vorgestellt. Ich bin überrascht, wie die Situation jetzt dargestellt wird.

Sonntagsblatt: Der Bürgermeister setzt weiter auf den Ausbau des Löhrhofs und beide Zentren kann es nicht geben?

Funke: Wenn der Löhrhof in der vorgesehenen Dimension kommt, ist dass das Ende der Recklinghäuser Innenstadt. Das zeigt auch das Gutachten. Ein kleinerer Loerhof dagegen ist eine Bereicherung. Es kann doch nicht sein, das eine Innenstadt dem Gewinnstreben eines Unternehmens geopfert wird. In den Löhrhof können sich Unternehmen ansiedeln, die sonst auf der Grünen Wiese sind. Elektronikmärkte und ähnliches. Das passt da gut hin, denn wie Herr Baule schon sagte: Der Loerhof ist eine B-Lage.

Samstag, 26. Juli 2008, 14:34 • Verfasst in Recklinghausen

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