Corona: veraltete Kreis-Statistiken

Vest. Wochenlang staunten die Bürger: In ganz Deutschland schnellte die 7-Tage-Inzidenz nach oben, nur im Kreis Recklinghausen nicht. Hier lag sie höchstens halb so hoch. Was machte der Kreis anders? Verhielten sich die Bürger ungewöhnlich diszipliniert? Die Erklärung ist ganz anders. Sie ist erschreckend.

Tatsächlich traf die Welle der Neuinfektionen auch den Kreis Recklinghausen mit großer Wucht. Nur in der Statistik wurde das einfach nicht erfasst.

„Es war und ist für uns im Moment im laufenden Betrieb einfach nicht zu schaffen, die neuen Fälle vollständig zu erfassen“, erklärt nun Dr. Richard Schröder, Fachbereichsleiter Gesundheit, Bildung und Erziehung beim Kreis Recklinghausen. Tatsächlich „haben wir aktuell Größenordnungen, die es in all den Monaten der Corona-Pandemie nie gegeben hat“.

Täglich erreichen mehr als 2.000 Meldungen von Laboren das Gesundheitsamt. Dazu kommen Meldungen von Positiven über das Formular auf der Internetseite des Kreises.

Die einlaufenden Daten werden von mehr als 150 Mitarbeiter des Kreises und 30 Soldaten der Bundeswehr erfasst und bearbeitet. Sie können nicht alle täglich abgearbeitet werden und summierten sich zwischenzeitlich zu einem Rückstau von 17.000 Meldungen (Stand 8. Februar). Diese Befundmeldungen entsprechen nicht der Zahl der positiven Fälle, weil auch Folgebefunde oder Nachweise über eine Virusvariante zu einem bereits bekannten Fall dabei sind.

„Das Gesundheitsamt hat in den letzten Wochen alles versucht, diesen Rückstau zu verhindern bzw. abzuarbeiten. Es wurden Umstrukturierungen vorgenommen, weiteres Personal aus der Verwaltung eingesetzt. An einem Wochenende waren mehr als 50 Mitarbeiter sowie Bundeswehrkräfte im Einsatz, die die Meldungen sichteten und ins System eingaben", erklärt Schröder.

Zusätzlich muss die Verwaltung die PCR-positive Fälle über ein anderes Erfassungstool an das Landeszentrum für Gesundheit NRW (LZG) zu melden. Aus diesen Meldungen ergibt sich die Wocheninzidenz, die täglich auf der Internetseite des LZG und des Robert-Koch-Instituts (RKI) veröffentlicht wird.

Weil es sich dabei um zwei unterschiedliche Datenbanken handelt, wichen die Zahlen bislang stark voneinander ab, erklärt der Kreis. „Durch die extrem hohen Fallzahlen kann die Geschwindigkeit, in der die beiden Systeme mit Daten gefüllt werden, phasenweise sehr variieren."

Der Fokus der Bearbeitung liege beim Ausbruchsgeschehen in Alten- und Pflegeheime, Krankenhäusern sowie Schulen und Kitas. Schröder: „Aufgabe des Gesundheitsamtes ist es, diejenigen bestmöglich zu schützen, die bei einer Infektion mit dem Virus das größte Risiko für schwere bis tödliche Krankheitsverläufe tragen. Das hat auch weiterhin höchste Priorität.“

Inzwischen verringert sich auch der Berg der Rückstände. Deshalb sieht die Kreisverwaltung ein neues Problem: Kommen die alten positiven Fälle zu den neuen positiven Fällen, dann wäre die Kreis-Inzidenz außerordentlich hoch. Aber gerecht. Denn die alte Delle wird nun durch einen neuen Berg kompensiert.

Samstag, 26. Februar 2022, 13:08 • Verfasst in Vest

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