Ein eiskaltes Vergnügen

Bild: Mobiler Eisverkauf um 1930. Foto: LWL-Archiv/ Klein-Happe

Vest. Die Lust auf die sommerliche Erfrischung, das Eis, kam vor rund 60 Jahren so richtig in Schwung – mit dem Erfolg italienischer Eisdielen in Westfalen. Die größeren Städte des Ruhrgebietes hatten teilweise schon vor dem 2. Weltkrieg eine Eisdiele. Meist waren es Italiener, die sich hier ansiedelten, stellten die Volkskundler beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) bei einem Blick in die Geschichte der Eisdielen fest.

Das Italienbild der Deutschen wurde seit den 50er Jahren geprägt in populären Schlagern („Capri-Fischer“), in Italien spielenden Filmen und von „dolce vita“, dem süßen Leben oder „dolce far niente“, dem süßen Nichtstun. Eine realistische Einschätzung von Italien hatte kaum jemand, zumal von einer Italienreisewelle zu Anfang der 1950er Jahre kaum die Rede sein konnte. Die Kenntnisse über Italien beschränkten sich somit auf den Besuch einer Eisdiele. Deren Einrichtung war zwar einfach, aber von großen Fotos geprägt.

Kaum bekannt ist, dass die Einwanderung italienischer Eishersteller schon am Ende des 19. Jahrhunderts begonnen hatte. Die wirtschaftliche Situation in Norditalien zwang viele Bewohner dazu. Das Ruhrgebiet war zwischen den Weltkriegen ein beliebtes Ansiedlungsgebiet der italienischen Eishersteller gewesen. In den 1950er Jahren hatte sich die wirtschaftliche Situation in Norditalien noch nicht wesentlich verbessert und so ging es wieder Richtung Norden, um den Lebensunterhalt als Gelatieri zu verdienen. Manche wagten sogar den Schritt zu einer Milch- und Espressobar, wie 1960 eine italienische Familie in Herten. Vor allem für Jugendliche bildete die Eisdiele im Sommer eine willkommene Nische zwischen den gutbürgerlichen Gaststätten und Cafés.

Eisessen das schon um die Jahrhundertwende in Amerika sehr populär war gewesen. Die eigene Herstellung von Eis im Privathaushalt war lange Zeit schwierig und auch das Lagern von gekauftem Eis war nur wenigen Haushalten möglich. 1955 besaßen lediglich zehn Prozent der bundesdeutschen Haushalte einen Kühlschrank und nur die wenigsten hatten ein Tiefkühlfach. Deshalb ging es zum Eisessen in die Eisdiele.

Die Idee des „Eis am Stiel“, die 1923 in Amerika patentiert worden war, machte den Straßen- und Kioskverkauf einfacher. Gekühlt wurde in Thermobehältern mit Trockeneis. Die deutsche Eisindustrie versuchte in den 1960er Jahren die italienischen Eisprodukte nachzuahmen und gab den Eiskreationen italienische Namen. Heute kann jeder Deutsche aus über 100 Eis-Sorten auswählen und verzehrt etwa acht Liter im Jahr. Damit ist Deutschland nicht einmal auf dem ersten Platz. Spitzenreiter sind ausgerechnet die Skandinavier aus dem kühlen Norden.

Samstag, 30. Juli 2016, 14:58 • Verfasst in Vest

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