Ferien für fette Früchtchen

Vest. Es sind die ersten Ferien eines Schuljahres: Die Herbstferien, in denen man sich vom Anfangs-Stress erholen kann. Doch eigentlich waren sie gar nicht als Wohltat für Schüler gedacht, sondern als Hilfe für die Bauern: Früher (bis in die 1960er Jahre) hießen sie „Kartoffelferien“.

Die Kinder mussten „ackern“ und bei der Ernte der Spätkartoffeln helfen. Die Bauern gingen in die Schulen und warben zusätzliche Helfer an, die nicht aus Bauerfamilien stammten und die sich auf diese Weise ein kleines Taschengeld verdienten.

Einerseits war das ständige Knien und Bücken eine mühselige Angelegenheit, doch es wurde von manchen auch fröhlich empfunden, wie Manuskripte im Archiv der Volkskundlichen Kommission des Landschaftsverbandes zeigen. Es gab ein Wetteifern, wer als erster mit seinem „Paat“ fertig wurde. Und zum Ende wurde das Kartoffelfeuer angezündet.

Bis zur Mitte des 19. Jahrhundert, mancherorts sogar noch bis in die Mitte des 20. Jahrhundert, wurden die Erdäpfel mit einer Forke aus der Erde gehoben. Aber es gab auch schon den Kartoffelpflug, eine Erntetechnik nicht ohne Tücken: Zu flach wurden viele Kartoffeln beschädigt, zu tief blieben beim Suchen viele Kartoffeln in der Erde.

Der um 1850 entwickelte Kartoffelroder löste allmählich den Pflug und die reine Handarbeit ab. Eine sich drehende Spindel schleuderte die Knollen seitlich aus dem Boden. Es blieb noch das Auflesen mit der Hand. Erst die in den 1950er Jahren entwickelten modernen Kartoffelvollernter erledigten das Auflesen gleich mit.

Was die Kartoffelgröße mit Klugheit zu tun hat, das erschließt sich übrigens nicht sofort. Der Spruch „Die dümmsten Bauern ernten die dicksten Kartoffeln“ soll aus dem 16./17. Jahrhundert stammen. Damals wurde noch ein Stückpreis für die Kartoffeln verlangt. Dumm dran war dann der Bauer mit den größten Kartoffeln …

Dabei wissen die Bauern heute, dass die Dicke der Kartoffeln von der Sorte und vom Pflanzabstand abhängt. Bei Speisekartoffeln werden die Setzkartoffeln alle 25 Zentimeter in den Boden gesetzt, bei „Pommeskartoffeln“, die besonders dick werden sollen, alle 34 Zentimeter.

In diesem Jahr, so das Statistische Landesamt, liegt die geerntete Kartoffelmenge um neun Prozent über dem Schnitt. Der Hektar-Ertrag ist der zweithöchste, den es je in NRW gegeben hat.

Fazit: Es ist ein Irrtum, dass der Umfang der subterritorialen Knollengewächse im reziproken Verhältnis zum Intellekt des Agrarökonomen steht.

Foto:

Kartoffelernte 1874, wie sie der Maler Max Liebermann sah

Samstag, 29. Oktober 2011, 15:57 • Verfasst in Vest

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