Die Bildung fing in der Baracke an


Marl. Montags Philosophie und bürgerliches Rechnen, dienstags Probleme der Zeit, mittwochs Deutsch, donnerstags Französisch, freitags Englisch. Das ist der Volkshochschulunterricht im Frühjahr 1946. Abgehalten im Saal der Gemeinschaftsunterkunft Lipper Weg in Marl, die ein Jahr zuvor die letzten Zwangsarbeiter aus den UdSSR verlassen hatten. Es ist die Keimzelle der Volkshochschule, die unter dem Namen „insel“ deutschlandweit bekannt wird.

Es ist (noch) keine geniale Marler Idee, es ist der Auftrag der britischen Militärregierung zur Erziehung zur Demokratie. Als erstes im Südlager der Chemischen Werke Hüls, ausschließlich für Beschäftigte.


Ein Bild aus den Anfängen der Marler Volkshochschule

Das Interesse erlahmte schnell, trotz des immer breiter werdenden Angebotes: Groß- und Kleinschreibung, Rundfunk, Film, Philosophie, Probleme der Zeit. Eine Idee sorgt aber bundesweit für Furore: Die Marler Presseschau, die am 16. Juni 1946 eröffnet wurde. In den Lagern Bonifatiusstraße und Kampstraße (Zeche Brassert), Römerstraße (AV) sowie im Nord- und Südlager der CWH gab es Lesezimmer, in denen wöchentlich über 200 Zeitungen und Zeitschriften auslagen.

Hört nie auf anzufangen

Am 29. September 1946 wird die Volkshochschule gegründet, 1954 begann Marl, das „Haus der Erwachsenenbildung“ zu bauen, ein nüchterner Bau für 100.000 Mark am Eduard-Weitsch-Weg. Die Fundamente standen bereits, da wagte man großes: Ein Gebäude mit Innenhof, verschiedenen Gruppenräumen. Das neue Gebäude kostete 630.000 Mark (einschließlich Einrichtung). Im Januar 1955 war Einweihung für die „Insel“, die „Insel der geistigen Besinnung, der Einkehr und des Friedens“. Es war das erste Volkshochschulhaus in der Bundesrepublik.

Aber schon mit der Einweihung kamen Pläne für ein größeres Haus auf, das in der neuen Stadtmitte stehen sollte. 1968 war von einer Mehrzweckhalle die Rede, 1971 diskutierte man über „Neue Häuser der Erwachsenenbildung“, ab dem folgenden Jahr wurde intensiv geplant und man kam auf die Idee, dass die optimale Lage unmittelbar an der Ladenstraße und neben dem Parkhaus des Einkaufszentrums sei. Eine große Kommunikationszone sollte entstehen, mit Cafeteria und ohne Schwellenangst. 1973 war Baubeginn, 1975 Grundsteinlegung, am 7. Oktober 1977 Eröffnung. Seither stehen 5200 Quadratmeter zur Verfügung. In das alte Insel-Gebäude am Eduard-Weitsch-Weg zog das Grimme-Institut ein.

„Hört nie auf anzufangen.“ Mit dieser Aufforderung des ersten Leiters der VHS Prof. Dr. Bert Donnepp von 1946 bis 1978 hat die VHS ihre Einladung zur Geburtstagsfeier im Rathaus überschrieben. Am Sonntag, 25. September, gibt es ab 10.30 Uhr eine Ausstellungseröffnung („Pure Kreativität“). Den Festvortrag um 11 Uhr hält Prof. Dr. Oskar Negt: „Arbeits- und Lebenswelt als Ort demokratischen Handelns“.

Samstag, 24. September 2011, 18:50 • Verfasst in Marl, Vest

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