Dampfschiffe passten nicht in die Schleusen

Haltern. Die Lippe ist nicht der Rhein. Diese Erkenntnis kam den kreativen Finanziers der Dampfschifffahrt allerdings erst schmerzhaft in der Praxis: Die Lippe war schlichtweg zu klein für die frühen Dampfschiffe. Die „Mühlheim“ und die „Fincke“ scheiterten. Für die Lippe reichte auch im 19. Jahrhundert das Treideln.

Nicht, dass die Lippe als Transportweg unbrauchbar war. Germanen und Römer ließen bereits Schiffe flussabwärts treiben. Aber mit der Einführung der Dampfschifffahrt hätte auch die Lippe eine neue Bedeutung bekommen können. Hätte.

Der Kreissekretär H. Hermann aus Hamm hatte auf dem Rein die Vorzüge der neu eingeführten Schleppschifffahrt erkannt und fasste 1853 den wagemutigen Plan, auch auf der Lippe Dampfschiffe zum Schleppen mehrerer Kähne einzusetzen. Er erwarb den Rheindampfer „Mülheim“, damit er Salz von den westfälischen Salinen und Steine aus den Brüchen am Annaberg abtransportieren konnte. Doch der Dampfer war überdimensioniert.

Nicht besser ging es mit dem zweiten Dampfschiff „Fincke“, das 1854 eingesetzt werden sollte. Ebenfalls zu groß und obendrein technisch nicht ausgereift. Und die Schleusen waren auch nicht für so große Schiffe geeignet. Vier Jahre später wurde die Gesellschaft aufgelöst.

Mittlerweile hatte eine „Lippestrom-Befahrungskommission“ herausgefunden, dass sich die Dampfschlepperschifffahrt nicht lohnt. Denn die Kosten für den Umbau der zu schmalen und zu kurzen Schleusen seien zu hoch. Der Oberpräsident der Provinz Westfalen, Dr. von Duisburg, entschied, an der Lippe keine Dampfschiffe einzusetzen.

Also weg mit der neuen Technik und hin zu den bewährten Kräften von Mensch und Tier. Mit Pferdekraft wurden die Schiffe weiterhin an langen Seilen stromaufwärts gezogen. „Treideln“ heißt das Verfahren.

Jahrzehnte später kam die Ideen zum Bau eines Kanals parallel zur Lippe auf. 1912 gab es konkrete Pläne des Lippeverbandes, drei Jahre später, im Ersten Weltkrieg, war Baubeginn. 15 Jahre dauerten die Arbeiten, am 1. Juni 1931 wurde der Lippe-Seiten-Kanal offiziell eröffnet. Heute sind alle Kanäle nach ihren Endpunkten benannt, also heißt er Wesel-Datteln-Kanal. Heute ist er auch einer der meistbefahrenen deutschen Kanäle.

Die Geschichte der 22 Flusskilometer von Flaesheim bis Lippramsdorf stehen im Mittelpunkt einer 34 Seiten starken Broschüre, die die Heimatfreunde Haltern herausgebracht haben. Das Heft „Schipperbaas und Treidelknecht – eine kulturhistorische Betrachtung über den Lippefluss“ enthalt auch über 100 Jahre alte historische Fotos und unter anderem eine Karte aus dem Jahr 1573. Die Autoren Uli Backmann (Leiter der Plattdeutschen Bühne) und Rudi Marwitz (Heimatfreunde) brauchten drei Monaten für ihre Recherche.

Broschüre 3,50 Euro, im örtlichen Buchhandel.

Montag, 27. September 2010, 14:35 • Verfasst in Haltern

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