Die Uchte war der Höhepunkt

Vest. Mit dem Heiligen Abend am 24. Dezember begann früher die Zeit der „Zwölf Heiligen Nächte“, auch „Rauhnächte“ oder im Münsterland „De Dietteinaten“ genannt. Diese Nächte beschäftigten schon den Volksglauben seit frühester Zeit und gründeten sich auf Gebräuchen der alten Germanen.

Von Heiligabend bis Dreikönige durften keine groben Arbeiten verrichtet werden. An dieses „Gebot“ hat man sich lange Zeit nicht nur auf dem Land gerne gehalten.

Unsere Vorfahren fürchteten das Unheil, das angeblichen in den geheiligten Nächten umhergeht, und waren bemüht, den Zorn der Geister nicht auf sich zu lenken. Deshalb hieß ein Bauernspruch (ins Hochdeutsche übertragen:

„Wie in den Zwölften backt und spinnt/ Zuviel im Hause schafft und sinnt/ Wer Flachs auf seinem Wocken lässt/ Im Topf und Krug bewahrt den Rest/ Wer drischt und fährt und etwas dreht/ Sieht seinen Schaden ein zu spät.“

Der Heilige Abend spielte im Münsterland vor 1900 noch nicht die Rolle des Familien-Geschenktages. Der 24. Dezember war einfach der Tag vor Weihnachten, an dem vor allem die Hausfrau mit den letzten Vorbereitungen beschäftigt war. Bis in die 1920er/30er Jahre galt er in vielen Familien als Fasttag.

Am Abend gingen alle früh zu Bett, um am nächsten Morgen für die Uchte, die erste Christmesse um vier Uhr, pünktlich wach zu sein.

Bis etwa 1900 stellte die feierliche Gestaltung der Christmesse, der weihnachtliche Gesang und das festliche Essen die Höhepunkte des Weihnachtsfestes dar.

Zwar war es nach uralter Sitte üblich, während der „Zwölf Heiligeln Nächte“ das Haus mit grünen Reisern zu schmücken, doch stellte das noch lange keinen Weihnachtsbaum dar. Erst in den Tagen der Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848) kam der erste Weihnachtsbaum ins Münsterland. In einzelnen Städten des Münsterlandes soll es schon um 1815 einen solchen Lichterbaum gegeben haben.

Gerne griffen die Wirtsleute den Brauch auf und stellen einen Weihnachtsbaum in ihre Wirtsstube. Abends fanden sich Jung und Alt zum Weihnachtssingen ein, was natürlich auch den Umsatz der Wirtsleute erhöhte, denn Singen macht die Kehlen durstig.

Verwandte und Bekannte, sie sich mit dem neuen Brauch bereits angefreundet und eine Tanne oder Fichte in ihre Wohnung geholt hatten, wurden ebenfalls gerne besucht. Der mit Wachskerzen, Lametta und allerlei Glitzerschmuck dekorierte Nadelbaum erhielt seinen Ehrenplatz meist auf einem Tischchen in einer Ecke der besten Stube.

War der erste Weihnachtstag noch ausgesprochen häuslich-familiär, so ging es am zweiten Weihnachtstag in Westfalen öffentlich-unterhaltsam zu. Die männliche Bevölkerung stattete den Wirtshäusern seinen traditionellen Besuch ab. Man ging den „Stephanus steinigen“.

Bei den jungen Männern war es üblich, zum Wirtshausbesuch einen Stein in der Tasche mitzutragen. Wehe dem, der ohne angetroffen wurde! Der Steinlose hatte eine Runde Bier zu spendieren. Obwohl die jungen Kneipenbesucher meist rechtzeitig für das wichtige Mineral in ihrer Tasche sorgten, floss das Bier doch recht zügig. Und mancher soll in den späten Mittagsstunden an seinem nicht mehr ganz aufrechten Gang als „Stephanussteiniger“ erkannt worden sein.

Sonntag, 24. Dezember 2017, 13:00 • Verfasst in Vest

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