Vergessene Weihnachtsbräuche

Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein gab es Weihnachts-Traditionen, die von der segenspendenden Kraft der Christnacht bis zum Bedürfnis reichte, mehr über die Zukunft zu erfahren. Die Volkskundler des des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) haben viele mittlerweile unbekannte Traditionen wiedergefunden.

Der Glaube an die segenspendende Kraft der Christnacht war bis ins 20. Jahrhundert weit verbreitet. So glaubten die Bauern im Nordosten von NRW (Altkreis Lübbecke), dass vor Heiligabend eingepflanztes Saatgut Glück bringe. Daher wurde einen Tag vor der Weihnachtsfeier ein Teil des Roggens eingesät. „Diese 'Christrogge‘ sollte dem Hof Segen, Fruchtbarkeit und doppelte Ernteerträge bringen sowie die Felder vor Wetterschäden wie Frost und Hagel schützen", erklärt Evelyn Hammes, Kulturwissenschaftlerin beim LWL.

In Stahle (Kreis Höxter) legte man in der Nacht vor Heiligabend lautlos einen Stein in die Äste von unfruchtbaren Bäumen, mit der Erwartung, dass diese im nächsten Jahr Ertrag bringen würden. Bis zum Ersten Weltkrieg fand man vielfach auch noch ein Bündel Heu vor den Dielentüren der Bauernhäuser. Das sollte durch die der Heiligen Nacht innewohnenden Kräfte geweiht werden. Um das Vieh vor Krankheiten und Unheil zu bewahren, bekam am nächsten Morgen jedes Tier ein wenig davon zu fressen.

Ähnlich ist eine Tradition aus dem Wittgensteiner Land: Am 25. Dezember wurde ein großes Stück Holz ans Herdfeuer gelegt und ein bisschen angebrannt. Danach erstickte man die Flammen und legte den Block zu Seite. Zog nun ein Gewitter übers Land, so legte man das Holzstück wieder auf, in der Hoffnung, dass die Blitze das Haus verschonen würden.

Nach dem Gottesdienst, der sogenannten Ucht, die traditionell am frühen Morgen des 25. Dezembers stattfand, verschwanden in vielen westfälischen Orten die unverheirateten Mädchen in den Geflügelställen und weckten das schlafende Federvieh auf. Dies machten sie nicht aus Bosheit, sondern sie erhofften sich, dass der Hahn krähte. War dies der Fall, so glaubte das Mädchen, noch vor Ablauf des nächsten Jahres verheiratet zu sein. Gackerte allerdings ein Huhn, würde dies noch lange dauern.

„Aus diesem wie auch aus anderen Ritualen rund um die Christnacht spricht auch der Wunsch, etwas über die nähere oder fernere Zukunft zu erfahren“, erläutert Hammes. So ging man beispielsweise am 24. Dezember rückwärts die Diele hinab und hoffe, dabei zu sehen, was dem Haus und den Bewohnern im nächsten Jahr geschehen würde.

Obwohl das Kirchenjahr eigentlich mit dem ersten Advent beginnt, empfand man mancherorts anscheinend eher das Weihnachtsfest als Beginn. Aus Altstedde (Kreis Unna) wird der Brauch berichtet, am Heiligabend das Herdfeuer auszumachen, um es am nächsten Morgen neu zu entfachen. Dies war symbolisch als Neubeginn an Weihnachten zu sehen, denn mit dem Christuskind begann ein neues Zeitalter.

„Die Vorstellungswelten, die sich mit diesen Ritualen verknüpfen, erscheinen uns heute sehr fremd. Dennoch verweisen sie auf grundlegende Bedürfnisse, die auch den Zeitgenossen nicht unbekannt sein dürften", so LWL-Volkskundlerin Christiane Cantauw.

Eine weitere Tradition in der Advents- und Weihnachtszeit ist der „Letztenspott“ am sogenannten Thomastag, dem 21. Dezember. An diesem Tag kürte man den faulsten Langschläfer. Kam man morgens zu spät zu Tisch, so erhielt man im südlichen Westfalen ein „Eselsfrühstück“, sprich Heu und Wasser. War man der letzte in der Schule, so hatte man den Spott als Thomasesel weg. Die Strafe für den „Tomsirsel“ oder auch „Tomesiesel“ war von Ort zu Ort verschieden. Oft geschah es, dass die ganze Schule mit einem durch die Gemeinde zog und ein Lied darüber sang, wie faul doch der Thomasesel sei. Der „Ruhm“ des faulsten Langschläfers hing einem für ein ganzes Jahr, und noch darüber hinaus, an.

Am Thomastag oder in der Thomasnacht gab es oft ein Spinnstubenfest. In dieser längsten Nacht des Jahres wurden dann die Spinnräder restlos abgesponnen und man ließ sie bis zum Dreikönigstag (6. Januar) ruhen. Nach dem Spinnen wurde ausgelassen gefeiert.

Der Heilige Abend wurde in katholischen Familien vielfach für die Hausweihe genutzt. Hierbei wurden das Haus sowie die Ställe am Heiligabend mit Weihwasser geweiht.

Am zweiten Weihnachtstag fand bis um 1900 in der Gegend von Soest, dem Hochsauerlandkreis sowie im Olper Land, das Wurstsingen der Johannes- oder Stephanusknechte statt. Dabei zogen nicht nur die Knechte, sondern auch die unverheirateten Burschen des Ortes los, um von Haus zu Haus zu gehen und für eine kleine Spende zu singen. Die Gaben waren Wurst, Brot, Flachs und Wachs. Wurst und Brot dienten zur Stärkung. Das Geld gab man für Getränke aus. Flachs und Wachs formte man zu einer Kerze. Dabei kneteten die jungen Männer das Wachs so lange, bis es weich genug war und legten es um den Flachsdocht. Die daraus entstandene Kerze wurde in der Kirche aufgestellt.

Dienstag, 24. Dezember 2013, 12:28 • Verfasst in Vest

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