Ein Dickkopf sorgte für die Notrufnummern 110/112


Bild: Heute ist die 112 ist eine europaweite einheitliche Notrufnummer, über die in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union Feuerwehren, Rettungs- und Hilfsdienste erreicht und alarmiert werden können.

Heute ist sie selbstverständlich und sollte allen für den Notfall bekannt sein: Die europaweit gültige Notrufnummer 112. Ende der 60er Jahre sah das noch anders aus. In einer Zeit ohne Notruftelefone oder Handys, kaum ausgerüsteter Rettungswagen und keiner Versorgung von Patienten am Unfallort gab es auch nur in wenigen Großstädten eine einheitliche Nummer für den Notfall. Wer Hilfe holen wollte, musste die Nummer der nächsten Polizei, Feuerwehr oder Hilfsorganisation parat haben. Erst durch die Hartnäckigkeit der privaten Björn Steiger Stiftung wurde die Notrufnummer 110/112 am 20. September 1973 beschlossen.

Im Mai 1969 kam Björn Steiger, der 8-jährige Sohn von Ute und Siegfried Steiger, bei einem Autounfall ums Leben, weil es fast eine Stunde dauerte, bis die Rettungskräfte am Unfallort eintrafen. Wie sich bei Recherchen der Eltern herausstellte, war das für diese Zeit nicht ungewöhnlich. Die Eltern wollten selbst etwas unternehmen, um das Eintreffen der Rettungskräfte bei Unfällen zu beschleunigen. Deshalb gründeten sie die Björn Steiger Stiftung, die bis heute die Notfallhilfe verbessert.

Eine der wichtigsten Forderungen der Björn Steiger Stiftung war die bundesweite Einführung der Notrufnummer 110/112. Diese Forderung wurde aber immer mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Einführung nicht finanzierbar wäre. Allerdings konnte niemand genau sagen, wie viel es denn kostet. Von der Oberpostdirektion Stuttgart erfuhr Siegfried Steiger, dass die Einrichtung für den Regierungsbezirk Nordwürttemberg 387.000 DM kosten würde – „also finanzierbar", so Steiger damals.

Er wandte sich an die 18 Landkreise und bewirkte, dass sich jeder Landkreis mit 20.000 DM an der Aktion beteiligte. Mit diesem Kniff wurde damals zunächst für 3,6 Millionen Menschen flächendeckend eine einheitliche Notrufnummer geschaffen und damit die erste Notfallversorgung in ganz Europa.

6000 Briefe hatte Ute Steiger auf der Schreibmaschine an die politischen Verantwortlichen geschrieben, und der Modellversuch hatte demonstriert, dass der einheitliche Notruf finanzierbar war. Dennoch schien die bundesweite Umsetzung der Notrufnummer am Widerstand der Politik zu scheitern, der Bund verwies auf die Länder und die Länder auf den Bund. Nachdem die Innenminister im Juni 1973 ein Angebot des Bundespostministers abgelehnt hatten, stand der Notruf vor dem Aus.

Bundesweiten Medienberichten setzten die Politik zunehmend unter Druck. Schließlich einigten sich am 20. September 1973 die Vertreter von Bund und Ländern auf die flächendeckende Einführung von 110 und 112. Der damalige Postminister Horst Ehmke rief spätabends noch bei Steigers an und teilte mit: „Ihr Dickkopf hat sich durchgesetzt, der Notruf ist beschlossen.“

 Info: Björn Steiger Stiftung

Am 7. Juli 1969 nach dem Unfalltod von Björn Steiger als gemeinnützige Organisation gegründet, ist die Björn Steiger Stiftung federführend in der Entwicklung der deutschen Notfallhilfe. Seit 44 Jahren unterstützt und entwickelt die Stiftung viele Initiativen, die die Notfallhilfe in Deutschland kontinuierlich verbessern. Dazu gehören beispielsweise die Einführung der bundesweit kostenfreien Notrufnummer 110/112, der Aufbau der Notruftelefonnetze an deutschen Straßen, die Einführung des Sprechfunks im Krankenwagen, Aufbau der zivilen Luftrettung, die Einführung der kostenlosen Handyortung bei Notruf und die Entwicklung und Finanzierung der Baby-Notarztwagen.

Samstag, 21. September 2013, 11:06 • Verfasst in Vest

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