Emscher-Lippe 21: Eine Region wehrt sich

Neue Initiative fordert auf zum Handeln. In Marl gegründet


Bild: Viele junge Leute machen sich Sorgen um ihre persönliche und berufliche Perspektive. Sie unterstützen die neue Initiative.

Vest. Am Donnerstag (22. November) ist die neue Initiative EL21 – Eine Region steht auf! in Marl an den Start gegangen – denn, wie die Initiatoren sagen, es ist Zeit zu handeln.

Mehr als die Hälfte aller industriellen Arbeitsplätze hat die Emscher-Lippe-Region bereits verloren, weitere 18.000 fallen durch das Auslaufen des Bergbaus in den kommenden Jahren weg. „Jetzt muss dringend gehandelt werden – sonst droht die Verarmung der gesamten Region. „Wir stehen auf für die Zukunft des nördlichen Ruhrgebietes, das endlich wieder Perspektiven braucht“, erklärt Dr. Gudrun Bülow, Sprecherin der neuen Initiative, die sich jetzt auf dem Bergwerk Auguste Victoria (AV) erstmals der Öffentlichkeit präsentierte. Zuvor gab es auf AV einen Zukunftsworkshop bei dem junge Menschen verschiedener Berufsgruppen mit Experten aus der Region über Zukunftsperspektiven und bestehende Probleme diskutierten.

Die Initiative hat breite Rückendeckung im Emscher-Lippe-Raum. Wirtschafts-Institutionen von den Gewerkschaften über die Kammern, die regionalen Wirtschafts- und Mittelstandsvereinigungen bis zu den Banken, Sparkassen und der Westfälischen Hochschule haben sich mit Unterstützungserklärungen zu den Zielen und Forderungen von „EL21“ bekannt.

Niedergang der Region stoppen

EL21 hat sechs wirtschaftliche Leitlinien formuliert, um den Niedergang der Emscher-Lippe-Region aufzuhalten. „Das Ende des Steinkohlenbergbaus darf nicht das Ende der Emscher-Lippe-Region bedeuten“, sagt Jürgen Kroker, Direktor des Bergwerks Auguste Victoria. 8.000 Arbeitsplätze fallen durch Schließung der Bergwerke Auguste Victoria (2015) und Prosper-Haniel (2018) unwiederbringlich weg, weitere 10.000 sind bei Zulieferern und Aufragnehmern gefährdet.

EL21 setzt sich daher besonders für mehr Beschäftigung und bessere Qualifizierung benachteiligter Gruppen ein: „Die Emscher-Lippe-Region bietet heute schlechtere Chancen auf Beschäftigung als Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg“, erklärt Arnd Neubauer, der in der Initiative das Handwerk vertritt. „Nirgendwo in NRW sind prozentual weniger Menschen erwerbstätig als in der Emscher-Lippe-Region. Bei den regulären Jobs mit Sozialversicherung liegt unsere Region mit einer Beschäftigtenquote von nur 45 % bundesweit auf einem der letzten Plätze“, so Neubauer (Bayern 53%, Brandenburg: 52 %, NRW 49 %).


Bild: EL21-Sprecherin Dr. Gudrun Bülow (2. v.l) diskutiert mit Teilnehmern des Workshops die Zukunft der Emscher-Lippe-Region.

Politik muss sich an Zusagen halten
Für einen Neustart fehlen den verarmten Kommunen im nördlichen Ruhrgebiet die finanziellen Möglichkeiten. EL21 beharrt daher auf Versprechungen der Landes- und Bundespolitik, die bis heute nicht erfüllt sind: „Die Bundesregierung hat 2003 im Kohlekompromiss zugesagt, dass die freiwerdende Mittel aus den Bergbaubeihilfen in Kohlerückzugsgebiete investiert werden. Davon will die Politik heute offenbar nichts mehr wissen“, kritisierte EL21-Sprecherin Uta Heinrich, früher Bürgermeisterin in der Bergbaustadt Marl.

Ohne Hilfe von außen ist der Neubeginn nicht zu schaffen

Dabei sind die finanziellen Mittel vorhanden: Allein das Land NRW spart durch den Wegfall der Bergbaubeihilfen ab 2015 pro Jahr mehr als 360 Millionen Euro im Wirtschaftsetat ein. „Alle anderen Regionen sind großzügig mit Hilfen bedacht worden, um das Auslaufen des Steinkohlenbergbaus abzufedern. Die Emscher-Lippe-Region darf nicht leer ausgehen – denn ohne Hilfen von außen können wir den Neubeginn nicht schaffen“, erklärt Jürgen Kroker, Direktor des Bergwerkes Auguste Victoria.

Die Zeit drängt: newPark endlich umsetzen

Im Wettbewerb der Region sieht EL21 eine einzigartige Chance für Emscher-Lippe: Der „newPark“ kann mit einer Fläche von 270 Hektar Top-Standort für neue Industrieansiedlungen werden – mit Potenzial für 10.000 neue Arbeitsplätze. 18 Jahre nach den ersten Planungen ist die Umsetzung allerdings noch immer ungewiss: „Es ist ein Skandal, dass das Land NRW die notwendige Bürgschaft für den Ankauf der Flächen immer noch aufschiebt. Wir fordern die Landesregierung auf, endlich ein klares Bekenntnis zum newPark abzugeben, damit diese historische Chance für unsere Region nicht verspielt wird“, so Uta Heinrich. Denn die Zeit drängt: Zum Jahresende läuft das Vorkaufsrecht für das Gelände aus. Um die Option auszuüben, benötigen die Kommunen jedoch eine Landesbürgschaft. „In diesem Punkt werden wir nicht locker lassen – und wenn wir dafür nach Düsseldorf ziehen müssen“, ergänzt Roland Wübbe, Bauunternehmer aus Marl.


Bild: Unter den Teilnehmer des Zukunftsworkshops der Initiative EL21 viele Auszubildende aus der Region.

Sorgen macht sich die Initiative EL21 um die Städte: Der Strukturwandel hat die Kommunen in unserer Region finanziell ausgezehrt. Die Kommunen können den Verfall der Infrastruktur nicht mehr aufhalten, weil ihnen die nötigen Eigenmittel für Investitionen fehlen. „Ein Teufelskreis, der durch 100-prozentige Förderung wichtiger Projekte durchbrochen werden muss – nur so können unsere Städte wieder aufblühen“, ist sich auch der Unternehmer Bernd Kaczor, Vorsitzender mehrerer Kaufmannschaften in Marl, sicher.

Aufstehen und Mitmachen: Die nächsten Schritte

„Jetzt gehen wir einen Schritt weiter: Wir rufen die Bevölkerung auf, mit uns aufzustehen für unsere Zukunft – damit Emscher-Lippe nicht zu einer vergessenen Region wird“, so EL21-Sprecherin Dr. Gudrun Bülow. Auf der Website www.emscherlippe21.de können sich Bürgerinnen und Bürger in eine Online-Petition einschreiben, um ihre Unterstützung zu zeigen. Unternehmen bietet das Portal die Möglichkeit, die Initiative EL21 durch Sponsoring zu fördern. Vereine und Einrichtungen können Flyer, Aufkleber und Plakate bestellen.

Freitag, 23. November 2012, 9:41 • Verfasst in Vest

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