Falscher Einsatz für Ein-Euro-Jobber

Haltern/Recklinghausen/Marl. Ein-Euro-Kräfte halfen 2008/9 dabei, das Prosper-Hospital in Recklinghausen zu entkernen, eingesetzt von der Jugendwerkstatt Haltern, eine Einrichtung der Caritas. Vier Beteiligte erhielten im vergangenene Jahr einen Strafbefehl, weil dieser Einsatz nicht rechtens war. Ein Anleiter widersprach – und so musste nun das Amtsgericht Marl die Umstände eines Geschehens aufrollen, das die Beteiligten am liebsten gar nicht öffentlichen diskutieren wollten und wollen.

Konkret ging es um den Einsatz von vier Arbeitslosen. Sie sollten in der Radstation, der Fundgrube, im Möbellage oder in den Grünanlagen der Jguendwerkstatt Haltern eingesetzt werden. Dafür gab das Jobcenter für jeden einen monatlichen Zuschuss von 205 Euro.

Tatsächlich, so bestätigten die vier, waren sie überwiegend bis vollständig bei den Entkernungsarbeiten in Recklinghausen eingesetzt worden. Die „Linken“ empörten sich damals über den „Missbrauch“, Caritas-Geschäftsführer Wilhelm Grawe schritt zur Selbstanzeige, rund 2500 Euro wurden an das Jobcenter zurückgezahlt. Es sei ein Fehler gewesen, den Einsatz nicht zu kontrollieren, erklärte er dem Gericht. Aber er habe auch nichts mit den Details des Tagesgeschäftes zu tun gehabt.

Eingeteilt wurden die vier Männer von Rolf T. (54), der damals eine fristlose Kündigung bekam (die inzwischen in eine fristgerechte umgewandelt wurde). Rolf T. wehrte sich nun auch gegen eine Verwarnung mit Strafvorbehalt und eine Geldstrafe von 800 Euro. Sein Argument: Er habe nicht gewusst, dass es sich um Ein-Euro-Jobber gehandelt habe. Seine Vorgesetzte habe ihm die Männer zugewiesen. Die vier konnten sich nicht erinnern, mit dem Angeklagten über den Inhalt der Bewilligungsbescheide geredet zu haben. Insgesamt waren 30 Männer dort eingesetzt, die anderen aber nicht auf der Basis von Ein-Euro-Jobs.

Eine Einstellung des Verfahrens gegen den 54-Jährigen (der schon mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten war) lehnten Staatsanwalt und Gericht ab. Er beantragte, seine damalige Vorgesetzte solle auch noch gehört werden. Das Gericht gab dem Antrag statt, der Prozess wird in einigen Monaten noch einmal aufgerollt. Wieder mit allen Zeugen.

Monday, 3. September 2012, 9:59 • Verfasst in Vest

1 Kommentar:

Beyer-Peters schrieb,

Comment • 23. September 2012 @ 15:45

Der Artikel “Falscher Einsatz für Ein-Euro-Jobber” im Marler Kurier und
im Sonntagsblatt vom 15.09.2012 weist einige Unrichtigkeiten auf und
gibt ansonsten den tendenziösen Charakter der Verhandlung vor dem
Amtsgericht Marl vom 26.08.2012 wieder. Als diejenige Person, die Ende
2009 Anzeige gegen den Geschäftsführer Wilhelm Grave erstattet hatte,
stelle ich hierzu folgendes fest:
1. Es ist nicht richtig, dass vier Verantwortliche bei der Caritas in
Haltern einen Strafbefehl erhalten haben. Richtig ist, dass der
Geschäftsführer Willi Grave wegen Betruges im Zusammenhang mit dem
rechtswidrigen Einsatzes von Zusatz-Beschäftigten eine Geldstrafe
bezahlen muss. Die Jugendwerkstatt Haltern musste an die Vestische
Arbeit Fördermittel zurück erstatten und einigen Arbeitsgelegenheiten
für die nachgewiesene Arbeitszeit auf der Baustelle regulären Lohn
nachzahlen. Richtig ist, dass auch der ehemalige Beschäftigte der
Jugendwerkstatt, Rolf T., einen Strafbefehl über 800 € erhalten hat,
gegen den er Widerspruch eingelegt und über den das Amtsgericht Marl nun
zu entscheiden hat.
2. Die Staatsanwaltschaft Essen hatte Rolf T. unterstellt, vom
rechtswidrigen Einsatz der Ein-Euro-Jobber gewusst und diesen mit
Geschäftsführer Wilhelm Grave abgesprochen zu haben. Das Amtsgericht hat versucht, dies unter Beweis zu stellen. Die Aussagen der Zeugen konnten dies jedoch nicht belegen.Trotzdem steht demnächst eine weitere
Verhandlung an. So sollen die ehemalige Leiterin Karin K. und der
ehemalige Anleiter der Jugendwerkstatt, Holger Sch., vernommen werden.
Erst wenn die Vernehmungen ergeben, dass diese Beschäftigten vom
rechtswidrigen Einsatz der Zusatz-Beschäftigten Kenntnis hatten, müssten
auch sie mit einer Bestrafung rechnen.
3. Es entspricht nicht der Wahrheit, wenn Herr Grave behauptet, dass er
vom illegalen Einsatz der Langzeitarbeitslosen erst nach dem Umbau des
Schwesternwohnheimes am Prosper-Hospital von September 2008 bis März 2009 Kenntnis erlangt haben will. Der Einsatz von Zusatz-Beschäftigten bei Sanierungs- und Renovierungsarbeiten ist in der Jugendwerkstatt schon zu Zeiten, in denen Rolf T. noch gar nicht bei der Jugendwerkstatt in Haltern beschäftigt war, gang und gäbe gewesen. Als er am 01.07.2008 seine Stelle als Anleiter des Bereiches Grünflächen- und
Landschaftspflege antrat, war z.B. der Umbau des Schwesternwohnheimes am Sixtus Hospitals zur Geschäftsstelle des Halterner Stadtverbandes der
Caritas mit dem Einsatz von Arbeitsgelegenheiten gerade abgeschlossen
worden.
4. Wenige Tage nach der Einstellung von Rolf T. wurden über den
Geschäftsführer Herrn Grave und die Betriebsleiterin Frau Karin K. alle
Vorbereitungen für den Umbau des Schwesternwohnheimes am
Prosper-Hospital zur Geschäftsstelle des Recklinghäuser Caritasverbandes
getroffen. Herr Grave hat während des Umbaus sogar mehrfach die
Baustelle in Recklinghausen besichtigt und dabei auch direkt mit
1-Euro-Jobbern gesprochen. Nur die Vorgesetzten von Rolf T. konnten
wissen, dass ein Einsatz der Zusatz-Beschäftigten auf der Baustelle
nicht dem Förderbescheid der Vestischen Arbeit vom 01.04.2008 entsprach.
Denn sie hatten die Förderanträge gestellt und den Bewilligungsbescheid
erhalten. Nur sie hatten Kenntnis davon, dass 4 Monate vor der
Einstellung von Rolf T. die Vestische Arbeit „erhebliche Bedenken“ gegen
den Einsatz von Arbeitsgelegenheiten bei Umzügen und Renovierungen
geltend gemacht hatte. Der entsprechende Förderantrag ist daher
zurückgezogen worden.
5. Trotzdem hat Herr Grave im Rahmen der Ermittlungen der Vestischen
Arbeit gleich zu Beginn die Verantwortung für den rechtswidrigen Einsatz
der Arbeitsgelegenheiten voll und ganz auf den Anleiter Rolf T.
abgeschoben. Rolf T. ist aber erst zwei Wochen nach Beginn der
Umbauarbeiten am ehemaligen Schwesternwohnheim des Prosper-Hospitals zum zuständigen Anleiter auf der Baustelle gemacht worden und löste damit den Anleiter Holger Sch. ab.
6. Während der gesamten Bauphase von September 2008 bis März 2009 waren insgesamt 13 (und nicht 30) Beschäftigte der Jugendwerkstatt Haltern im Einsatz. Darunter befanden sich sieben Ein-Euro-Jobber. Der
Arbeitspädagoge Rolf T. wusste selbstverständlich, dass 1-Euro-Jobber
auf “seiner Baustelle” tätig waren. Er kann jedoch von der
Rechtswidrigkeit des Einsatzes der Zusatz-Beschäftigten nichts gewusst
haben. Immerhin hat er in den monatlichen Qualifizierungsnachweisen und
Zielvereinbarungen die Bautätigkeiten dieser Beschäftigten
wahrheitsgemäß und konkret beschrieben. Herr Grave hingegen hat in den
Monatsberichten an die Vestische Arbeit wahrheitswidrige Angaben zum
Einsatz der Arbeitsgelegenheiten gemacht.
7. Es entspricht nicht der Wahrheit, dass Willi Grave den Anleiter der
Jugendwerkstatt Haltern Rolf T. am 31.03.2009 – also neun Monate nach
seiner Einstellung, drei Monate nach Auslaufen seiner Lohnförderung
durch die Rentenversicherung und zum Abschluss der Umbaumaßnahme am Prosper-Hospital – wegen des illegalen Einsatzes von
Arbeitsgelegenheiten auf der Baustelle in Recklinghausen fristlos
entlassen hat. Im Wesentlichen war ihm Diebstahl unterstellt worden.
Obwohl dem Kollegen durch den Geschäftsführers des Caritasverbandes
Recklinghausen ausdrücklich genehmigt worden war, deren Schrott zu
verkaufen und mit den Erlösen die Mittagsmahlzeiten der
Maßnahmeteilnehmer und ihrer Betreuer im Prosper-Hospital zu
finanzieren, hatte ihm die Jugendwerkstatt Unterschlagung von Einnahmen
vorgeworfen.

Sowohl die Vestische Arbeit als auch später die Staatsanwaltschaft haben
sich bei ihren Ermittlungen fast ausschließlich auf die Aussagen des
Geschäftsführers Wilhelm Grave verlassen und es versäumt, die konkreten
Verantwortlichkeiten beim illegalen Einsatz der Langzeitarbeitslosen zu
klären. Nicht genug damit, dass sich Rolf T. gegen die ungerechtfertigte
Kündigung vor dem Arbeitsgericht in Herne zur Wehr setzen musste. Jetzt
muss sich Rolf T. auch noch gegen die Schuldzuweisungen eines Herrn
Grave zur Wehr setzen. Feiger und infamer geht’s nicht. Die Initiativie
“Solidarisches Recklinghausen” stärkt Rolf T. in seiner Entscheidung den
Rücken, vor Gericht keinem faulen Kompromiss zuzustimmen. Bleibt zu
hoffen, dass die Staatsanwaltschaft ihren Strafbefehl gegen Rolf T. neu
überdenkt und das Amtsgericht Marl den Fall genauer und kritischer
betrachtet, damit es am Ende nicht heißt: „Die Großen lässt man laufen,
die Kleinen hängt man auf.“ Denn im Gegensatz zu Herrn Grave ist nicht
nur der Ruf von Rolf T. sondern auch seine berufliche Zukunft und damit
seine Existenz gefährdet.
Die gesamten Hintergründe und Fakten können unter der Internetadresse
von solidarisches-recklinghausen nachgelesen werden.


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