Die Lippe als Transportweg – lang ist es her

Foto: Ein Dampfschiff auf der Lippe 1909, westlich von Dorsten. Für einen profitablen Einsatz solcher Schiffe hatte sich die Lippe als nicht geeignet erwiesen.

Vest. Verkehrswege so zu planen, dass alle Beteiligten und Betroffenen einen Vorteil (oder wenigstens keinen Nachteil) zu haben, das ist nicht erst in allerjüngster Zeit ein gewaltiges Problem – wie die A52 im Raum Gladbeck beweist. Schon vor 250 Jahren gab es Verkehrsprobleme, wenn auch ganz anderer Art. Damals spielte die Lippe eine wichtige Rolle.

Auf der Lippe verkehrten 1815 erst elf Schiffe. Elf Jahre später waren es 18 kleine und 25 große Einheiten. In Dorsten wurde drei Jahrzehnte lang die „Aak“ (kleiner Frachtkahn) gebaut. Auch wenn der Gütertransport wuchs, so hatte doch die Ruhr eine zehnmal größere Frachtmenge.

Der Verkehrsweg Lippe brach noch im selben Jahrhundert wieder zusammen, insbesondere durch die Eröffnung der Eisenbahnstraße Halter-Wesel im Jahr 1874. Während die Schiffe im Schnitt (Bergfahrt und Talfahrt) einen Tag benötigten, schaffte die Eisenbahn die Strecke (ohne Aufenthalte) von Dorsten nach Wesel in einer Stunde (24 Stundenkilometer).

Um die Schiffer finanziell zu entlasten, wurden die Zölle und Schleusengelder aufgehoben. Diese Zölle (allgemeine Staatseinnahmen), dienten über die Schifffahrtskasse dem Ausbau und der Unterhaltung der Wasserstraßen. Dagegen waren die Landstraßen seit dem 19. Jahrhundert in der staatlichen Unterhaltung. Der Verkehr war abgabenfrei.

Die Staffelung der Lippezölle in vier Klassen richtete sich nach den Güterarten: Bergbauliche Rohstoffe, Holz, zu bearbeitende Waren und – in der höchsten Klasse – Fertigwaren.

Der Dorstener Kaufmann Alexander August Wilhelm Reischel hatte 1866 die Aufhebung der Lippezölle gestellt. Bei der Behandlung seiner Petition im preußischen Abgeordnetenhaus am 23. November 1866 wurden die Zolleinnahmen als unwichtig für die Staatskasse eingestuft. Sie waren von 5.982 Talern im Jahr 1861 auf 3.379 Taler im Jahr 1865 gesunken. Durch königliches Dekret wurden die Lippezölle seit 1867, also vor 145 Jahren, aufgehoben.

Der Schifffahrt half es nichts. 1878 verkehrten nur noch 14 Lippeschiffe. Sie transportierten Steine und Schermbecker Dachziegel.

Schon hundert Jahre zuvor hatte Dorsten erfahren, wie unberechenbar die wirtschaftliche Entwicklung ist. Preußen ließ 1765 bis 1767 den „Gahlener Kohlenweg“ bauen, der von Bochum zur Lippe bei Gahlen (auf Klever Gebiet) führte. Zwei Kilometer westlich der Dorstener Altstadt wurde eine Verladestelle für Kohle gebaut, um so den Dorstner Zoll zu umgehen. Doch der Kohletransport über die schlechten Landstraßen war so schwierig, dass das Projekt wieder aufgegeben wurde. Stattdessen wandte sich Preußen der Ruhr zu.

So zügig, wie vor 250 Jahren Planungen aufgestellt und geändert wurden, geht es heute nicht mehr. Die einen wird es freuen, die andern ärgern.

Sonntag, 1. April 2012, 12:11 • Verfasst in Vest

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