Vest (art). Das schwere Holz steht neben der Ladentheke, immer griffbereit, damit sich Neziha Soytay wehren kann, wenn es hart auf hart kommt. Es kam hart auf hart - bereits zu oft. Kurz vor Weihnachten erst, da wurde die deutsch-türkische Besitzerin eines Hertener Kiosk überfallen. „Zwei Männer kamen herein, einer drängte mich in die Ecke“ - 890 Euro Tageseinnahmen waren futsch, „ich habe versucht, den einen festzuhalten“, sagt sie verzweifelt.

118 Raubüberfälle gab es im Kreis Recklinghausen im vergangenen Jahr, gefühlt sind vor allem um die Feiertage mehr Läden ausgeraubt worden, als sonst. „Im Vergleich zu 2010 gibt es keinen Anstieg an Überfällen auf Lebensmittelmärkte und Kioske“, erklärt ein Sprecher der Polizei auf Anfrage des Sonntagsblatt. Ist also alles wie immer?

Für Kioskbesitzer wie Rita Albert aus Recklinghausen nicht. Drei Mal wurde die Frau aus Marl bereits überfallen - doch sie gibt nicht auf. Seit 2001 betreibt sie ihr Büdchen. Beim letzten Angriff im vergangenen Jahr räumte der bewaffnete Unbekannte nicht nur die Kasse, sondern auch das Zigarettenregal und den Schnapsvorrat leer. Albert bekam Probleme mit der Versicherung und blieb auf dem Schaden sitzen. Seither hat sie einen Zigarettenautomaten im Laden aufgestellt - und verkauft nur noch wenige Marken selbst. Abends passt ihre Schwiegertochter auf. Und die bringt ihren Hund mit.

Gesellschaft hat seit Ende Dezember auch die 46-jährige Neziha Soytay: „Am Abend kommt mein Mann in den Laden. Damit ich nicht alleine bin.“ Alleine sein - das ist das größte Problem für Menschen, die in Trinkhalle, Kiosk und Co. ihr Geld verdienen. So ein Überfall dauert oft weniger als eine Minute - Neziha Soytay beschreibt die Täter als „wahnsinnig schnell“.

Was für die Räuber nicht mehr als hineinstürmen, ausräumen und wegrennen ist, bleibt den Opfern oft ein Leben lang im Gedächnis. Die Deutsch-Türkin: „Natürlich habe ich Angst. Aber ich lebe davon. Ich muss weitermachen.“