Marls Scharoun-Schule wurde vor 50 Jahren geplant

Foto: Stadt Marl

Vest. Sie gilt als Meisterwerk der modernen Architektur, „organhaft“ gebaut mit unregelmäßigen Formen und nur auf das Wohlbefinden der Gebäudenutzer ausgerichtet: die Schule an der Westfalenstraße in Marl-Drewer. 1960 war den Stadtvätern das Beste gut genug, Geld war in Hülle und Fülle vorhanden und so wurde der weltberühmte Architekt Hans Scharoun mit dem Bau einer Grund- und Hauptschule beauftragt – ohne städtebauliche Vorgaben.

Wer das Gebäude heute ansteuert, ist enttäuscht. Kein eindrucksvoller Repräsentationsbau, weitgehend eingeschossig. Erst die gewaltige Eingangshalle lässt ahnen: Ökonomie spielte keine Rolle. Was dazu führte, dass man das Gebäude 2003 abreißen wollte, weil es überflüssig und überdimensioniert war. Inzwischen steht es unter Denkmalschutz. Architekten geraten ins Schwärmen, die Verwalter der Finanzen ins Stöhnen. Die Sanierungskosten haben sich von ursprünglich 6,9 auf derzeit 10,5 Millionen gesteigert.

Aber Geld war 1964 noch kein Problem. Damals wurde der Grundstein gelegt für 20 Klassen, Sporthalle und Aula mit 522 Plätzen, erst sechs Jahre später war die ganze Anlage fertig.

Es ist ein Gebäude, dessen Architektur man nur aus der Luft versteht. Wabenförmige Glieder gruppieren sich um die Aula als „Raum der Mitte“. Sie erhebt sich deutlich über die „Schulwohnungen“, zu denen jeweils ein Klassenraum, Toiletten, eine Garderobe, ein Gemeinschaftsraum und ein Freiluftbereich für den Unterricht und Aufenthalt im Freien gehören.

Die asymmetrischen Formen im Innern eröffnen immer wieder neue und überraschende Perspektiven. Natürliche Materialien und warme Farbtöne, viele Licht und viel Raum stellen die Schüler konsequent in den Mittelpunkt.

Jahrelang stand die Schule leer, sollte schließlich abgerissen werden. Doch Bürger und Architekten erreichten eine andere Lösung. Inzwischen wird sie teilweise als Musikschule genutzt, in den anderen Teil soll eine Grundschule einziehen.

Doch das jüngste Gutachten zeigt, dass der Zahn der Zeit weitaus stärker am Gebäude genagt hat als vermutet. Ein Vergleich der Scharoun-Pläne mit der Ausführung beweist erheblichen Pfusch am Bau. Schöne Verkleidungen verdeckten schlampige Arbeit. Frühestens 2013 soll die Sanierung beendet sein, mindestens 1,5 Millionen mehr kosten. Wie das bezahlt werden soll, daran rechnet die Stadtverwaltung noch.

Vom Ziel, hier ein musisch-kulturelles Zentrum zu errichten, rückt Marl aber nicht ab.

Montag, 24. Oktober 2011, 11:19 • Verfasst in Vest

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