Bei uns gibt´s Anzüge und Kapuzenpullover

Vest. Seit drei Wochen beschäftigt eine Partei die Diskussionen an den Stammtischen: Die Piraten. In Berlin haben sie aus dem Stand 8,9 Prozent der Stimmen geholt und ziehen demnächst mit 15 Sitzen ins „rote Rathaus“, dem Senat des Stadtstaates ein. Eine Eintagsfliege, ein Berliner Phänomen? Mitnichten. Auch im Vest sind die Piraten aktiv und das nicht erst seit drei Wochen. Bereits zwei Wahlkämpfe hat Michael Levedag für die Piraten auf dem Buckel, die Europawahl und die Landtagswahl. Der zweifache Familienvater aus Haltern wurde durch seinen damals 16-jährigen Sohn auf die ungewöhnliche Partei aufmerksam.

Ihn beeindruckte besonders die Definition von Demokratie der politischen Vereinigung. „Bei den Piraten darf jeder zu jederzeit zu jedem Thema seine Meinung sagen, auch wenn sie nicht von der Parteilinie getragen wird und auch ebenso abstimmen. Eine Parteiräson gibt es nicht und auch keinen Fraktionszwang.“

Natürlich ist dem Halteraner auch bewusst, dass die Piraten noch nicht alle Themen besetzen.

„Aber das war bei den Grünen vor 30 Jahren genauso. Sie hatten sich Ökologie auf die Fahnen geschrieben und alles andere kam nach und nach.“ Und so sieht Levedag das auch für die Piraten, nur viel demokratischer.

„Unser tragender Gedanke sind die Bürgerrechte. Wenn man sieht und hört, wie nach jedem Anschlag der Ruf nach Vorratsdatenspeicherung wie ein Pawlowscher Reflex durch die Republik hallt, ist das sehr bedenklich.“ Deswegen setzt sich die Piratenpartei für die Stärkung der Bürgerrechte ein. Die Sicherung des Fernmeldegeheimnisses sei ein wichtiger Grundpfeiler zum Erhalt der Demokratie, heißt es dazu im Parteiprogramm. Und weiter: Jeder Mensch habe eine Privatsphäre, die frei von Überwachung bleiben müsse. Es dürfe keine Bewegungsprofile, keine staatlichen Übergriffe, keinen Lauschangriff und keine Rasterfahndungen geben. Die Kontrolle der Geheimdienste solle verbessert werden.

Und dass der demokratische Prozess durchaus Meinungen verändern kann, hat Michael Levedag am eigenen Leib erfahren. War er vor seinem Engagement in der Piratenpartei ein strikter Gegner der Drogenfreigabe, kann er es sich jetzt zumindest vorstellen, dass auch harte Drogen „in kontrolliertem Rahmen, beispielsweise durch Apotheken“ an die Konsumenten abgegeben werden. Die Beschaffungskriminalität sänke, die Sterblichkeit ebenso und der Drogenmarkt sei unter Kontrolle.

Eine Ein-Themen-Partei also? „Wohl nicht“, grinst der zukünftige Marler. „Auch die Bildungspolitik ist ein Stützpfeiler unseres Programms ebenso wie Teile der Sozialpolitik.“

Der Wahlerfolg der Berliner gibt den Piraten im Vest Auftrieb. „In den ersten Wochen nach der Berlin-Wahl hatten wir jeden Tag 60 Anträge auf Aufnahme – NRW-weit“, freut sich der Dattelner Pirat Ansgar Flack beim monatlichen Stammtisch in der Recklinghäuser Kneipe komma!, der jeden letzten Mittwoch im Monat stattfindet.

Wer Interesse hat, die Piraten zu besuchen, hat dazu am 3. Oktober Gelegenheit. Dann findet der Tag der politischen Arbeit in NRW im Salvador-Allende-Haus in Oer-Erkenschwick statt. Von 9 bis 17 Uhr geht es um Bildungs-, Finanz-, Kommunal- und Verkehrspolitik. Natürlich darf auch hier der Arbeitskreis Datenschutz nicht fehlen.

Sonntag, 2. Oktober 2011, 11:35 • Verfasst in Vest

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