Diabetes ist gut behandelbar

Mit Diabetes zu leben ist für rund sechs Millionen Deutsche Alltag – oftmals ein schwerer Alltag, denn die Krankheit kann ernsthafte gesundheitliche Einschränkungen mit sich bringen. Entscheidend für die Lebensqualität von Diabetes-Patienten sind neben einer optimalen medikamentösen Behandlung die Ernährung, ausreichend Bewegung und die aktive Mitarbeit des Patienten bei der Therapie. Ein gut eingestellter Blutzuckerspiegel kann schwerwiegende Folgeerkrankungen wie Nierenversagen, Schlaganfall oder Erblindung verhindern und ermöglicht ein aktives Leben. Über den aktuellen Stand in der Diabetestherapie informierten Diabetologen bei unserer Telefonaktion. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten:

Was sind typische frühe Symptome eines Typ-2-Diabetes?

Dr. med. Gerhard Willms: Die Symptome sind subtil und werden von den Betroffenen oft nicht als Beschwerden wahrgenommen. Deshalb wird ein Typ-2-Diabetes häufig zufällig bei Routineuntersuchungen entdeckt. Bei ständigem, übermäßigem Durst sollten Sie aufmerksam werden, ebenso bei vermehrtem Harndrang, Mattigkeit und Abgeschlagenheit. Auch Juckreiz, Heißhunger, Sehstörungen und Anfälligkeit für Infekte zählen zu den möglichen Symptomen eines Typ-2-Diabetes.

In wie weit kann ich einen Typ-2-Diabetes durch Ernährungsumstellung beeinflussen?

Dr. med. Veronika Hollenrieder: Neben ausreichender körperlicher Bewegung und einer medikamentösen Einstellung des Blutzuckerspiegels ist die Ernährung der wichtigste Schlüssel, um Diabetes in den Griff zu bekommen. Eine Diabetestherapie wird daher immer zuerst bei Ernährung und Bewegung ansetzen. Diabetiker sollen eine kohlenhydratreduzierte und bei Übergewicht auch fettreduzierte Kost über mehrere kleine Mahlzeiten pro Tag verteilen. Empfehlenswert: Vollkornprodukte, denn sie lassen den Blutzucker langsam ansteigen. Zum Süßen eignen sich kalorienfreie Süßstoffe. Ansonsten gilt: Für Diabetiker muss nicht „extra gekocht“ werden, wenn Zutaten, Menge und Verteilung der Mahlzeiten über den Tag stimmen.

Bei mir ist es schon öfter zu einer Unterzuckerung gekommen. Gibt es Antidiabetika, die dieses Risiko senken?

Prof. Dr. med. Stephan Jacob: Einige der älteren Medikamente wie Sulfonylharnstoffe zwingen die Bauspeicheldrüse zur vermehrten Insulinabgabe – egal wie hoch der Blutzuckerwert tatsächlich ist. Wenn dieser schon relativ niedrig ist, kommt es zu der gefürchteten Unterzuckerung. Moderne Medikamente wie die DPP-4-Hemmer wirken hingegen bedarfsgerecht: Insulin wird nur dann ausgeschüttet, wenn der Zucker zu hoch ist. Besprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob solche Wirkstoffe für Sie in Frage kommen.

Mein Vater hat einen Typ-2-Diabetes. Ist mein Risiko für eine Erkrankung damit erhöht?

Prof. Dr. med. Juris Jendrik Meier: Wir wissen, dass Kinder und Geschwister von Typ-2-Diabetikern ein 50-prozentiges Erkrankungsrisiko haben. Genetische Studien weisen ebenfalls auf eine erbliche Veranlagung hin. Es ist allerdings derzeit nicht möglich, mit genetischen Tests exakt vorherzusagen, ob jemand an Diabetes erkranken wird.

Verschlechtern alle Antidiabetika die körpereigene Produktion von Insulin?

Dr. med. Elmar Jaeckel: Die klassischen Wirkstoffe können nicht verhindern, dass im Laufe der Zeit die Funktion der Bauchspeicheldrüse weiter und weiter zurückgeht. Neuartige Wirkstoffe wie Sitagliptin, Vildagliptin und Saxagliptin senken nicht nur den Blutzuckerspiegel, sondern können einen positiven Effekt auf den Funktionserhalt der Zellen haben, die für die körpereigene Insulinproduktion zuständig sind. Außerdem treten unter Therapie mit diesen Medikamenten keine Unterzuckerungen auf.

Ich bin seit vier Jahren wegen Diabetes in Behandlung und mein Blutzucker ist gut eingestellt. Muss ich trotzdem damit rechnen, dass ich irgendwann Insulin spritzen muss.

Dr. med. Veronika Hollenrieder: Wann ein Diabetiker Insulin benötigt, hängt von mehreren Faktoren ab – vor allem davon, wie konsequent Sie in der Umstellung Ihrer Ernährung und bei der körperlichen Bewegung sind. Zum anderen können moderne Antidiabetika den Zeitpunkt, ab dem Insulin gespritzt werden muss, nach hinten verlagern.

Ich habe gelesen, dass neuerdings von speziellen Nahrungsmitteln für Diabetiker abgeraten wird. Warum?

Prof. Dr. med. Stephan Jacob: Die moderne Diabetes-Ernährung unterscheidet sich kaum von der Ernährung eines Gesunden. Lediglich Mengen, Zusammensetzung und die Vermeidung bestimmter Nahrungsmittel wie etwa Weißmehlprodukte sind beim Diabetiker anders. Diabetiker können sich aus dem üblichen Angebot an Nahrungsmitteln bedienen, soweit sie ihre Therapievorgaben beachten. Spezielle Diabetiker-Produkte bieten keine Vorteile, sind aber meist wesentlich teurer als herkömmliche Lebensmittel. Achten Sie vor allem auf mehr Ballaststoffe beim Essen, also viel Salat und Gemüse.

Ich nehme Metformin und habe Bauchschmerzen. Was kann ich tun?

Dr. med. Elmar Jaeckel: Man kann Metformin in Absprache mit Ihrem behandelnden Arzt absetzen. Wenn die Bauchschmerzen weniger werden, könnte man mit einem Sulfonylharnstoff behandeln. Hierunter kann es zu einer Gewichtszunahme und Unterzuckerung kommen. Eine Behandlungsalternative stellt Sitagliptin dar, unter dem diese Nebenwirkungen nicht auftreten.

Ich habe vor allem nachts Schmerzen in den Beinen. Kann das mit meinem Diabetes zusammenhängen?

Prof. Dr. med. Stephan Jacob: Es könnte sich dabei um eine Komplikation des Diabetes handeln: die diabetische Polyneuropathie. Klären Sie diese Frage unbedingt mit Ihrem Arzt ab!

Was sagt der HbA1c-Wert über die Erkrankung aus?

Dr. med. Elmar Jaeckel: Der HbA1c-Wert wird auch „Blutzuckergedächtnis“ genannt, weil er den Blutzuckerverlauf über die letzten acht bis zwölf Wochen widerspiegelt. Mit dieser Aussage über die Stoffwechseleinstellung des Patienten kann die Wirkung der bisherigen Therapie sicher beurteilt werden, etwaige Anpassungen werden erleichtert. Der HbA1c-Wert gibt die Menge des mit Glukose verbundenen roten Blutfarbstoffs an, der normalerweise bei etwa sechs Prozent liegt und direkt vom Blutzucker abhängt. Für eine gut verlaufende Therapie sollte der HbA1c zwischen 7,5 und 6,5 Prozent liegen, idealerweise unter 6,5 Prozent.

Stimmt es, dass Typ-2-Diabetiker eigentlich genug Insulin produzieren?

Prof. Dr. med. Juris Jendrik Meier: Studien haben gezeigt, dass Patienten mit Typ-2-Diabetes etwa 50 Prozent weniger Insulin produzierende Zellen in der Bauchspeicheldrüse haben. Dies führt irgendwann dazu, dass die Insulinfreisetzung gestört ist und die Blutzuckerwerte ansteigen. Natürlich können zusätzliche Faktoren wie Übergewicht und Bewegungsmangel zum Ausbruch eines Typ-2-Diabetes beitragen.

Die Experten des Lesertelefons „Diabetes“ im Überblick

Prof. Dr. med. Stephan Jacob; Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie, Diabetologie und Ernährungsmediziner, Villingen-Schwenningen, u.a. Sprecher der AG Herz und Diabetes der Deutschen Diabetes Gesellschaft

Prof. Dr. med. Juris Jendrik Meier; Facharzt für Innere Medizin, Juniorprofessor für experimentelle Gastroenterologie und Stoffwechselforschung, St. Josef-Hospital, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum

Dr. med. Veronika Hollenrieder; Niedergelassene Fachärztin für Innere Medizin und Diabetologie, München

Dr. med. Elmar Jaeckel; Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie, Oberarzt der Klinik f. Gastroenterologie, Hepatologie & Endokrinologie, Medizinische Hochschule Hannover

Dr. med. Gerhard Willms, Niedergelassener Facharzt für Innere Medizin und Diabetologie, Gruendungssekretaer der "Arbeitsgemeinschaft Diabetischer Fuss der Deutschen Diabetesgesellschaft", Leverkusen

Samstag, 9. Oktober 2010, 16:06 • Verfasst in Vest, Verschiedenes

1 Kommentar:

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Pingback • 11. Oktober 2010 @ 15:29

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