Neujahrsgruß von Bürgermeister Werner Arndt

„Wir wollen uns in 2010 nicht kaputt sparen lassen“

Marl. Er wurde bei den Kommunalwahlen 2009 überraschend neuer Bürgermeister von Marl. Eines von zwei Ereignissen, die sein Leben nachhaltig verändert haben, wie Werner Arndt schreibt. Heute zieht er eine erste Bilanz und bedankt sich für das entgegengebrachte Vertrauen.

Liebe Marlerinnen und Marler,

das Jahr 2009 neigt sich dem Ende zu, und wie kein anderes Datum lädt Silvester dazu ein, auf das nun fast vergangene Jahr zurückzuschauen, Bilanz zu ziehen und zugleich auch einen ersten Blick auf 2010 zu richten.
Für mich persönlich hat das zurückliegende Jahr große Veränderungen gebracht. Die Geburt meines dritten Kindes zu Beginn des Jahres und die Wahl zum Bürgermeister im Herbst waren herausragende Erlebnisse, die mein Lebens nachhaltig verändert haben.

Ich habe mich über das große Vertrauen, das Sie, liebe Marlerinnen und Marler, mir bei der Bürgermeisterwahl entgegengebracht haben, sehr gefreut, und dafür möchte ich mich an dieser Stelle auch noch einmal sehr herzlich bedanken. Gern will ich alles in meiner Macht Stehende tun, um dieses Vertrauen zu rechtfertigen: Ich möchte selbstverständlich der Bürgermeister und Ansprechpartner für alle Menschen in Marl sein – unabhängig von politischen Überzeugungen, religiösen Anschauungen und der nationalen Herkunft. Kommunale Selbstverwaltung ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Rat, Verwaltung und Bürgerschaft, daher will ich alle Potentiale künftig stärker einbinden.

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, ich bin mir bewusst, dass an mich als neuer Bürgermeister und auch an den neu gewählten Rat hohe Erwartungen gesetzt werden. Manches konnte bereits 2009 erfolgreich auf den Weg gebracht werden:
In den vergangen Tagen hat uns der Regierungspräsident die Förderbescheide für die Sanierung der denkmalgeschützten Scharounschule überbracht. Hier werden 2011 die Aloysius-Grundschule und die Musikschule Platz finden.
Zudem wurde der Kaufvertrag mit der Firma Kaufland unterschrieben, so dass mit der Errichtung des lang erwarteten Kaufhauses in Hüls unmittelbar im neuen Jahr begonnen werden kann.

Besonders freut mich auch, dass die Bauarbeiten für die hochmoderne Triple X-Sportanlage, die dem Schul- und Vereinsport optimale Voraussetzungen bieten wird, begonnen haben. Der neue Kunstrasenplatz in Marl-Hamm konnte den Hammer Löwen und dem SSV Sickingmühle bereits übergeben werden.
Auch die Neugestaltung des Ratshaussees ist sichtbar gut voran geschritten und wird dazu beitragen, dass sich die Aufenthaltsqualität in unserem Stadtzentrum spürbar erhöhen wird.
Erwähnen möchte ich auch die Vorbereitungen für die Westerweiterung des Chemieparks und die Flächenvermarktung im Industriepark Marl-Dorsten, die zügig fortgesetzt werden, damit sich in den kommenden Jahren neue Unternehmen ansiedeln und zusätzliche Arbeitsplätze schaffen können.
Und mit dem Neubau für den Zentralen Betriebshof wird sich der Service der Stadtverwaltung im Bereich der umweltgerechten Abfallentsorgung erkennbar verbessern.

Dennoch wird es kaum möglich sein, den vielen Erwartungen und Wünschen gerecht zu werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die Entwicklung des städtischen Haushalts in den kommenden Jahren weiter zuspitzen wird. Erste Berechnungen lassen leider keinen Zweifel daran, dass sich das Minus auf den städtischen Konten dramatisch vergrößern und der Spielraum für Investitionen erheblich schrumpfen wird.

Keine guten Aussichten für 2010

Liebe Marlerinnen und Marler, wie die meisten Städte und Gemeinden in unserer Region und viele andere Kommunen in unserem Land wird auch Marl vielleicht schon im nächsten Jahr überschuldet sein und das gewaltige Haushaltsdefizit nicht mehr aus eigener Kraft ausgleichen können, wenn – wie zu befürchten ist – die Steuereinnahmen weiter sinken, gleichzeitig Umlagen steigen und auch die Ausgleichzahlungen des Landes erheblich niedriger ausfallen. Die Kommunen – Marl eingeschlossen – sind strukturell unterfinanziert und fordern seit langem eine bessere finanzielle Ausstattung, damit sie ihren Aufgaben, besonders im sozialen Bereich und bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, auch wirkungsvoll nachkommen können. Doch bislang zeichnet sich trotz aller berechtigten Sorgen und Proteste keine Änderung ab. Daher klagen der Kreis Recklinghausen und die 10 Städte des Kreises gemeinsam gegen das Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) des Landes NRW.
Um die wenigen noch verbleibenden Gestaltungsmöglichkeiten zu nutzen, werden wir unseren Sparwillen gegenüber unseren Aufsichtsbehörden, trotz vieler Sparleistungen in den Vorjahren, erneut nachdrücklich und nachvollziehbar unter Beweis stellen müssen. Dazu gehört, dass wir alle so genannten „freiwilligen Leistungen“ auf den Prüfstand stellen und sicherlich auch auf Aufgaben verzichten werden müssen, die für viele Bürgerinnen und Bürger wünschenswert und auch durchaus wichtig sind.
Neben der prekären Finanzsituation gilt ein weiterer sorgenvoller Blick der Zukunft des Bergwerks Auguste Victoria. Der dauerhafte Erhalt des heimischen Bergbaus über das Jahr 2018 hinaus ist ein existenzielles Anliegen unserer Stadt. Der Verlust der Arbeits- und Ausbildungsplätze wäre für Marl und die Region nicht zu kompensieren. Denn im Ernstfall einer Schließung wären nicht allein die zirka 4.000 Arbeits- und Ausbildungsplätze im Bergwerk AV selbst betroffen, sondern auch weitere 5.200 (Beschäftigungsmultiplikator 2,3 als Schätzwert einer Prognos-Studie) bei Zulieferbetrieben und bei Dienstleistern.

Liebe Marlerinnen und Marler, zum Jahreswechsel hätte ich Ihnen gern erfreulichere Nachrichten überbracht. Aber es wäre nicht aufrichtig, Ihnen das aktuelle Haushaltsdefizit und die sich abzeichnende dramatische Verschlechterung unserer städtischen Finanzen vorzuenthalten.

Lassen Sie mich an dieser Stelle aber auch mit aller Deutlichkeit sagen: Wir – und hier spreche ich aufgrund der mir vorliegenden Signale auch für die Mehrheit des Rates – werden nicht zulassen, dass unsere Stadt kaputt gespart und lebenswichtige Angebote und Strukturen gänzlich aufgegeben werden. Ich bin mir mit der überwiegenden Mehrheit der Mitglieder des neu gewählten Rates darin einig, dass wir auch im neuen Jahr alles uns Mögliche unternehmen werden, um auch weiterhin unverzichtbare Investitionen tätigen zu können. Dazu gehören Investitionen in unsere Schulen und Bildungseinrichtungen, die die Zukunft unserer Kinder und unserer Stadt sichern. Dazu gehören auch Investitionen, die unseren Familien und älteren Menschen ermöglichen, ein angemessenes Leben ohne Armut und Not zu führen. Und natürlich gehören dazu auch Investitionen in die Entwicklung unserer Stadt, die dazu führen, dass zusätzliche Arbeitsplätze entstehen können und Marl eine attraktive und lebendige Stadt mit angemessenen Sport- und Kulturangeboten bleibt.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, es gilt, die wenigen Gestaltungsmöglichkeiten, die sich uns künftig bieten werden, gezielt und konsequent zu nutzen. Es gilt, unserer Stadt gemeinsam mit allen, die Verantwortung übernehmen, eine Zukunft zu geben, die den sich ändernden Rahmenbedingungen Rechnung trägt und gleichzeitig den Menschen in unserer Stadt neue Perspektiven eröffnet.

Ich lade Sie, liebe Bürgerinnen und Bürger, herzlich ein und bitte Sie gleichzeitig, an diesen schwierigen und wichtigen Weichenstellungen für die Zukunft unserer Stadt tatkräftig mitzuwirken.
Ich bin guten Mutes, dass wir auch diese große Herausforderung im neuen Jahr erfolgreich gestalten werden. Mut machen mir die vielen Bürgerinnen und Bürger, die sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich in Vereinen, Einrichtungen und Initiativen engagieren und bereits seit vielen Jahren Großartiges für die Allgemeinheit und für die Lebensqualität in unserer Stadt leisten. Dieses bürgerschaftliche Engagement kann nicht hoch genug geschätzt werden und wird künftig noch mehr an Bedeutung gewinnen. Als Bürgermeister möchte ich das ehrenamtliche Engagement weiter stärken. Die Einführung der NRW-Ehrenamtskarte, mit der wir im Dezember erstmalig mehrere besonders aktive Bürgerinnen und Bürger ausgezeichnet haben, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Mit der Ehrenamtskarte möchten Bürgermeister und Stadtrat all jene, die schon länger für das Allgemeinwohl tätig sind, in ihrem Engagement bestärken; jenen, die sich bislang noch nicht zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit entscheiden konnten, möchten wir zusätzliche Anreize geben, damit auch sie sich mit ihren Fähigkeiten freiwillig in unsere kommunale Gemeinschaft einbringen und damit das allgemeine Wohl in unserer Stadt befördern.

Vom früheren amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy stammt die Äußerung:
„Frage nicht, was dein Land für dich tun kann. Frage, was du für dein Land tun kannst.“
Dieser Satz ist oft zitiert worden, doch er verliert dadurch nicht seine Gültigkeit. Gerade in schwierigen Zeiten ist die Mitwirkung und Mithilfe aller gefordert, zählen Gemeinsinn und bürgerschaftliches Engagement zu den vornehmsten Eigenschaften in unserem Land und in unserer kommunalen Gemeinschaft. Ich bitte Sie herzlichst: Lassen Sie uns gemeinsam die Weichen dafür stellen, dass sich auch in Zukunft bei uns jeder zu Hause fühlen kann – Männer wie Frauen, Junge wie Alte, Menschen mit und ohne Behinderungen, Alteingesessene und Zugereiste, Vermögende und Bedürftige.

Liebe Marlerinnen und Marler, ich weiß aus zahlreichen Gesprächen und Begegnungen, dass viele von Ihnen bereit sind, die Ärmel hoch zu krempeln und das neue Jahr tatkräftig und gemeinschaftlich anzugehen. Und ich bin zuversichtlich, dass es mit Ihrer engagierten Mitwirkung, meine lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger, gelingen wird, gemeinsam mit dem Stadtrat und den Fachleuten der Verwaltung tragfähige Lösungen zu finden, auch bei unterschiedlichen Standpunkten und Interessen. Ziel muss es sein, unserer Stadt für die kommenden Jahre neue und zukunftsfähige Perspektiven zu geben.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Angehörigen einen angenehmen Jahreswechsel sowie Gesundheit, Frieden, Glück und schwungvolle Tatkraft für das kommende Jahr 2010.
Mit freundlichem Glückauf!
Ihr

Werner Arndt
Bürgermeister

Donnerstag, 31. Dezember 2009, 15:26 • Verfasst in Marl

Keine Kommentare

Einen Kommentar hinterlassen

Sie müssen eingeloggt sein um einen Kommentar zu hinterlassen.