Schützen: Sitte, Anstand, tiefes Dekolleté

In der Bäckerei haben sich so viele Kunden beschwert, dass das Plakat wieder abgenommen wurde. FOTO: Mengedoht

Von Gert Eiben

Vest (eib). „Glaube, Sitte, Anstand“. Oder lieber tiefes Dekolleté in grüner Schützenjacke? Die Zeit der Heimatfeste geht los. Am Pfingstwochenende zeigen zwei Vereine, wo die Grenzen der aktuellen Feier-Breite liegen: In Haltern-Lavesum geht es um „Freundschaft, Kameradschaft und die Pflege des Gemeinwesens“. In Dorsten-Holterhausen macht ein verwegenes Plakat neugierig.

Schützenvereine haben Tradition. Und wenn einer erst 56 Jahre alt ist, dann hat er es vielleicht auch leichter, neue Wege zu gehen. Arndt Bohla (36), Vorsitzender von „Holsterhausen 53“ findet den Bildausschnitt als Hingucker, muss sich aber oft fragen lassen, ob das auch passend für einen Schützenverein ist. „Wir leben in einer Zeit, in der man Werbung betreibt“, erklärt er. Und es sei eine einmalige Sache. In zwei Jahren habe man eine neue Idee. Was auch den Pastor beruhigt hat. In Dorsten ist das Plakat nicht nur unter Schützen ein Thema.

Dabei habe die Umsetzung der Idee überhaupt keine Probleme gemacht. Man rätselt noch, wer sich als Model zur Verfügung gestellt habe. „Wer das ist, weiß keiner, außer mir“, gibt sich Arndt Bohla mystisch.

Der bildlichen Revolution kann der Inhalt nicht folgen: Gemeinsames Foto, Ehrenmalfeier auf dem Soldatenfriedhof, Kranzniederlegung, Gottesdienst, Großer Zapfenstreich – der erste Tag ist ganz traditionell, die nächsten Tage sind es auch.

Kein Unterschied zum „Schützenverein Lavesum e.V. von 1875“: Antreten, Festgottesdienst, Marsch zur alten Kapelle, Totenehrung, Kranzniederlegung, Zapfenstreich und Königsball. Das ist der erste Tag.

„Ich erwarte von allen Schützen Disziplin und Ordnung, damit auch dieses Fest so gelingt wie unsere früheren Feste“, schreibt Oberst Albert Gerding in seinem Bataillonsbefehl. Klar, dass die Schützen „an allen drei Tagen mit Holzgewehr und Schützenhut“ antreten.

In anderen Städten sind längst lockere Sitten eingezogen. Marl-Brassert versuchte bereits, das Zelt mit freiem Eintritt zu füllen. Der Erfolg war ernüchternd, die Feier drohte aus dem Ruder zu laufen. Im Dorstener Marien-Schützenverein sprach man in diesem Jahr das Thema Sparen an. Auf offener Bühne. Da fühlten sich die Abordnungen anderer Vereine angesprochen, als seien sie nicht erwünscht. Die Feier schrammte haarscharf an einem Eklat vorbei.

In Dorsten-Holsterhausen hat das Einladungsplakat derart für Furore gesorgt, dass bei Bäcker Nolte, wo die Schützen auch ihren Vogel ausstellten, das Plakat auf Drängen der Kunden wieder aus dem Fenster genommen werden musste.

Samstag, 30. Mai 2009, 14:24 • Verfasst in Vest

2 Kommentare:

tigerente schrieb,

Kommentar • 19. Juni 2009 @ 16:45

Kommentar zum Artikel des Sonntagsblatt vom 30.05.2009
Liebe Redaktion des Sonntagsblatt !
Nach Abschluss eines Erfolgreichen Schützenfestes mit Besucherzahlen wie noch nie, frage ich mich ernsthaft, ob ein derart zynischer Artikel sein musste ? Was ist an dem Plakat “verwegen” ? Wenn sich (Ihr Bericht vom 28.04.2009) Damen um die Teilname an einem Aktkalender bewerben ist das verwegen ? Was hat Januar, Februar etc. mit nackten Frauen zu tun ?
Das es immer verschiedene Meinungen gibt ist völlig normal, doch von “Furore” in Dorsten Holsterhausen kann angesichts eines harmonischen Festes keine Rede sein. Mit solchen Worten umzugehen zeugt nicht von Objektiver Berichterstattung sonder von Subjektiver Polemik. Das betrifft auch die Passage über die Vereine Marl Brassert und St.Marien (…längst lockere Sitten..).Ich denke das ein Teil der ca.12000 aktiven Schützen aus den 13 Schützenvereinen und zahlreichen Schießgruppen in Dorsten meine Meinung teilen werden.
MfG A.Bohla (1.Vorsitzender Holsterhausen`53)

wolli600 schrieb,

Kommentar • 20. Juni 2009 @ 10:34

Hallo, Redaktion des Sonntagsblatt!
Dass unser Plakat für das diesjährige Schützenfest für Aufsehen sorgen sollte, haben wir erhofft. Es kann nur positiv für einen Verein sein, wenn man in aller Munde ist. Jeder Dorstener hatte registriert, dass Schützenfest in Holsterhausen ist.
Dass es allerdings zu solchen Überreaktionen kommt - wie Entfernen des Plakats aus dem Schaufenster - ist mir völlig unverständlich. Egal, welche Zeitung man auch kauft, auf irgendeiner Seite gibt’s nackte Frauen zu sehen. Das scheint völlig normal zu sein, jedenfalls regt sich niemand auf. Im Gegenteil, die Zeitungen werden gekauft.
Ist im Vergleich hierzu ein meiner Meinung nach recht harmloses Bild dann schon verwerflich, nur weil es nicht irgendeiner “langweiligen” Norm entspricht?
Wenn man auf sich aufmerksam machen möchte, muss man sich etwas Neues einfallen lassen. Das haben wir getan, und der Erfolg gibt uns Recht.
Wir hatten jedenfalls ein tolles Schützenfest bei herrlichem Wetter und einem Besucherrekord. Vielleicht haben wir diesen auch zum Teil unserer neuen Idee und der Berichterstattung hierzu zu verdanken.
Schöne Grüße
Wolfgang Hohn (Major BSV Holsterhausen ‘53)


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