RE ertrinkt in risikoreichem Abwasser-Geschäft

Katakomben im Untergrund, das städtische Kanalnetz – für Recklinghausen ein riskantes Geschäft. FOTO: Stadt Marl

Vest (eib). Panik in Recklinghausen. Aus einem schönen Geschäft mit fast 5 Millionen Euro Gewinn droht eine Pleite mit unübersehbaren Folgen zu werden. Erste Reaktion: Redeverbot für die Stadtverwaltung und Fragenkataloge der Beteiligten, die vor fünf Jahren den Deal beschlossen hatten.

Es geht um ein brisantes Geschäftsmodell, das sich hinter vielen hundert Seiten von Verträgen im Wirtschaftsenglisch versteckt: Cross Border Leasing, ein Mietvertrag über Grenzen hinweg. Alle Städte des Kreises lehnten das Geschäft ab, in Marl scheiterte es an den Bedenken der SPD. Nur Recklinghausen wagte den Sprung ins Wasser. Jetzt steht die Stadt vor dem Ertrinken. Klar, dass hier die Devise hilft: „Mund zu!“

Das Sonntagsblatt erklärt in drei Schritten, um was es geht:

• Ein amerikanisches Unternehmen mietet das Recklinghäuser Kanalnetz. Die Miete für die gesamte Laufzeit wird auf einen Schlag gezahlt und bei einer amerikanischen Bank hinterlegt.

• Recklinghausen mietet das Kanalnetz zurück und bezahlt die Miete aus dem Geld, das auf der amerikanischen Bank liegt. Am Ende bleibt noch Geld übrig, mit dem Recklinghausen sein Kanalnetzt zurückerwirbt.

• Zwischen den hohen Mietzahlungen der Amerikaner und den geringeren Mietzahlungen der Recklinghäuser bleibt eine Differenz (in der Regel 10 Prozent), den sich alle teilen: 4 Prozent bekommt Recklinghausen, 4 Prozent die Bank, 2 Prozent die Anwälte. Für Recklinghausen sollen das 4,6 Mio Euro gewesen sein.

Welchen Vorteil haben die Amerikaner?

Sie haben 10 Prozent ihrer „Investitionen“ als Steuervorteil, und das über die gesamte Laufzeit (also 30 Jahre, das macht 300 Prozent).

Wo liegt plötzlich das Problem?

Wenn die amerikanische Bank in Schieflage gerät und die dort hinterlegte Mietvorauszahlung in Gefahr ist, wäre das Geschäft nicht mehr sicher. Für die Sicherheit haben aber die Recklinghäuser zu sorgen. So steht das im Vertrag.

Wer ist die amerikanische Bank? Keine Antwort. Kannten die Politiker den gesamten Vertragsinhalt? Keine Antwort. Das sei als „vertraulich“ vereinbart, so die lapidare Auskunft der Stadtverwaltung, die jede Aussage verweigert. Sie will nicht einmal sagen, ob sie bei den Beratungen den Politikern zu diesem Risiko-Deal geraten hat.

Man will auch nichts dazu sagen, welcher Schaden auf die Stadt zukommen kann und was das für den Bürger bedeutet. Müssen die Abwasser-Gebühren erhöht werden? Oder erhöhen die zusätzlichen Verluste „nur“ die Gesamt-Schulden der Stadt?

Stadt-Kämmerer Christoph Tesche will am 13. Oktober die Politiker informieren. Natürlich nicht-öffentlich.

Der Bürger braucht das alles nicht wissen. Auch nicht, wer die Verantwortung trägt. Der Bürger muss nur zahlen.

Samstag, 11. Oktober 2008, 14:54 • Verfasst in Vest

Keine Kommentare


Einen Kommentar hinterlassen

Sie müssen eingeloggt sein um einen Kommentar zu hinterlassen.