Als man in der Emscher noch Forellen angeln konnte

So soll die Emscher einmal wieder aussehen – an der Einmündung des Hellbachs.

Vest (gw). „Im Ruhrgebiet entsteht mit dem Emscher-Landschaftspark der größte Stadtpark der Welt“, lobt der Herner Stadtplaner Dr. Arnold Voß die Zukunftsvisionen. Die Emscher würde damit an eine frühere Bedeutung anknüpfen: Sie war schon mal ein bedeutender Freizeit-Treff.

Aber das ist schon viele Jahre her, wie sich Gerda Schattka erinnert, die heute in Recklinghausen-Süd wohnt. Sie wurde 1934 in der Siedlung Dortmund Deusen geboren. Damals waren die Familien noch größtenteils Selbstversorger. Ihr Pachtgrundstück, etwa so lang wie ein Fußballplatz, aber nur halb so breit, war eines der wenigen, das mit dem hinteren Ende direkt an die Emscher angrenzte.

Großvater Dietrich Tielmann war in seiner Jugend am Wochenende losgezogen und hat vom Ufer aus Forellen geangelt. Viele Anlieger ließen ihre zwei oder drei Schafe auf dem Deich grasen. Vier Jahre lang hat die Familie im Ehrenweg Nr. 46 gelebt, dann zog sie in den Kornweg Nr. 7 und später in Nr. 5 um. Nach dem Krieg ging die Familie nach Dortmund Marten.

Als kleines Mädchen lief Gerda Schattka oft mit den Freundinnen und einem kleinen Handwagen auf dem Deich der Emscher von Marten nach Deusen. Die Deiche waren nicht besonders hoch, höchstens zwei Meter. Sie mussten die Emscher auch überqueren. Es gab aber nur eine ganz schmale Brücke. Also mussten sie sich hinknien und auf allen Vieren rüberrutschen. Die Engländer hatten eine Sperrstunde eingerichtet. Zwischen 19 Uhr abends und 7 Uhr morgens durfte kein Deutscher sein Haus verlassen. Aber um 19 Uhr mussten die Mädchen sowieso schon zu Hause sein, sonst war die Mutter ganz schön böse.

Gerda Schattka mit den alten Bildern. FOTO: Gewecke

Gerda Schattka hat in einem Fotoalbum viele Bilder und Dokumente aus der damaligen Zeit gesammelt. Hier ist auch die Hochzeit von Bergmann Konrad Tielmann festgehalten. Fünf Kinder hat seine Frau zur Welt gebracht. Mehrere Bilder zeigen die Siedlung, umgeben von Wiesen und Feldern. Im Hintergrund ist der große Gasometer der Kokerei Hansa zu sehen. Ihr Vater war Maurer, der Nachbar Bergmann. Die Siedlung hat eine Baufirma errichtet. Aber vieles machten die Nachbarn in Eigenarbeit.

In den Kriegsjahren entkam die Familie so manches Mal den Bombenangriffen nur knapp, Mit zehn Jahren war Gerda einmal in einem Bunker eingeschlossen. „Das war ein Schock“, sagt sie und ihre Mine wird ernst. Auch der spätere TV-Entertainer Joachim Fuchsberger war während des Krieges in Dortmund als Flakhelfer eingesetzt. Wenn die Soldaten frei hatten, saßen sie bei der Familie auf dem Sofa und lauschten dem einzigen noch funktionierenden Radio. Zu Kriegsbeginn hatte sich ihr Vater durch eine Schrapnell eine Verletzung am Arm zugezogen.1944 wurde er eingezogen und fiel in Lettland.

An der Wand ihrer heutigen Wohnung im Süden von Recklinghausen hängen drei Bilder von Apfelbäumen. „Die hat mein damaliger Lehrer gemalt.“ Wo damals die Apfelbäume standen, ist heute ein Rückhaltebecken der Autobahn. „Wenn die Emscher hier wieder klarer wird, kann ich ja wieder an ihrem Ufer entlang spazieren. Aber jetzt ohne Handkarren und Sperrstunde!“, freut sie sich über die Pläne.

Sonntag, 31. August 2008, 13:04 • Verfasst in Vest

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