Wenn der Zug zu hören ist, fällt in Lavesum Regen

Bild: Bei ihren Prognosen stützten sich die Schäfer auf Wind, Wolken, Luftveränderungen und das Verhalten der Schafe, Münster-Nienberge 1953. Foto: LWL Volkskundearchiv Risse

Vest. Ein Blick auf die Wettervorhersage ist bei der Planung von Ausflügen oder Radtouren selbstverständlich. Was vor knapp 500 Jahren nur in Bauernregeln oder sehr lokal in Form von meteorologischen Flugblättern publik gemacht wurde, lässt sich heute leicht in Wetter-Apps nachlesen.

Bevor die Meteorologie wissenschaftlich fundierte Aussagen über Klima und Wetter ermöglichte, stützten sich Vorhersagen auf Beobachtungen, die in Kalendern oder in Form von Merksätzen festgehalten wurden. „Als Wetterpropheten galten unter anderem Schäfer, die sich bei ihren Prognosen auf Wind, Wolken, Luftveränderungen und das Verhalten der Schafe stützten“, erklärt Kim Wessel, die die umfangreiche Sammlung von Bauernregeln aus Westfalen im Archiv der Volkskundlichen Kommission untersucht hat.

Festgehalten wurden die Wetter- und Klimabeobachtungen oft in Form von Bauernregeln, die schon antiken Rom und Griechenland oder in Vorderasien bekannt waren.

Sie lassen sich in drei Kategorien unterteilen: „Wetterregeln“, die das Wetter der nächsten sechs bis zwölf Stunden vorhersagen, die „Witterungsregeln“ als langfristige Vorhersagen und die „kalendergebundenen Klimaregeln“, bei denen es um die durchschnittlichen jährlichen Witterungsabläufe geht. Eine Wetterregel ist beispielsweise „Ein Ring um den Mond, der Regen drin wohnt.“ Eine Witterungsregel lautet „Liegt nach Sonnenuntergang über Flüssen, Bächen und Wiesen ein dichter Nebel, so ist anhaltend schönes Wetter zu erwarten.“ In der Sammlung der Volkskundlichen Kommission finden sich auch ein paar Regeln, die aus dem Rahmen zu fallen scheinen. So heißt es, dass es in Haltern-Lavesum Regen gebe, wenn man die sechs Kilometer entfernte Oberhauser-Rheinbahn hören könne. „Hier zeigt sich, dass die Menschen ein gutes Gespür für Luftströmungen hatten, die nicht nur Regen brachten, sondern im Vorfeld auch eine veränderte Akustik“, sagt Wessel.

Die kalendergebundenen Klimaregeln sind unter den Bauernregeln am häufigsten. Hierzu zählt die in Deutschland verbreitete Regel „April, April, der macht, was er will“, die auf das oft wechselhafte April-Wetter hinweist. Doch nicht nur mit dem April, auch mit den übrigen Monaten im Jahresverlauf verbanden sich Regeln: „Auf viel Regen im Januar folgt ein nasser Frühling.“ „Wenn im Februar der Nordwind nicht will, kommt er sicher im April.“ „Donnert es im März, so schneit es wohl noch im Mai.“ „Viele Eicheln im September, viel Schnee auch im Dezember.“ Auch Festtage waren Eckpfeiler für Wetterprognosen, wie beispielsweise die Regel „Weihnachten im Klee, Ostern im Schnee“ oder „Grüne Weihnachten, weiße Ostern“.

„Ob die Bauernregeln überwiegend zutrafen, lässt sich schwer sagen. Denn über die Jahre und Jahrzehnte hinweg gab es teils gravierende Klimaverschiebungen, die den Beobachtungen der kalendergebundenen Klimaregeln nicht entsprachen. Die Bauernregeln sind also eigentlich Wahrscheinlichkeitsaussagen“, erklärt Wessel. „Die umfangreiche Sammlung von Bauernregeln in der Volkskundlichen Kommission kann zwar nicht das Wetter der nächsten Tage vorhersagen, aber sie zeigt, wie viel Interesse unsere Vorfahren an dieser Frage hatten, waren sie doch weitaus mehr als wir heute vom Wetter abhängig.

Die Sammlungen von Bauernregeln befinden sich im Archiv der Volkskundlichen Kommission. Besuche sind täglich zwischen 9 und 16 Uhr nach vorheriger Anmeldung unter Tel.: 0251 83 24404 möglich.

Samstag, 6. April 2019, 12:19 • Verfasst in Vest

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