So schütze ich mich vor dem Tornado

FOTO: Wikipedia

Von Oliver Mengedoht und Julian Rokitta

Vest. Tornados gibt es nicht nur in Amerika, auch wenn sich dieser Glaube hartnäckig hält. „Nach den vorliegenden Fällen der Jahre 2003 bis 2007 muss davon ausgegangen werden, dass die bisherigen Zahlen in den Statistiken überholt sind und es deutlich mehr Tornados in Deutschland gibt als bisher gedacht“, erklärt etwa der Meteorologe und Hurrikan-Experte Thomas Sävert von der Firma Meteomedia. Auf seiner Tornadoliste Deutschland im Internet listet er die Wetterphänomene auf, die bisher in Deutschland aufgetreten sind – bis zurück ins 7. Jahrhundert!

„In vielen Meldungen werden die Tornados bei uns oft noch als Windhose oder fälschlicherweise als Mini-Tornado bezeichnet, gemeint ist aber dasselbe Phänomen – es sind alles Tornados“, klärt Sävert weiter auf. Althergebrachte Meinungen, dass es bei uns keine oder nur wenige Tornados gebe, stimmten nicht. Auch könnten Tornados in Deutschland genauso stark sein wie in den USA. Und noch eine Richtigstellung: „Eine Zunahme der Tornados in Deutschland ist derzeit nicht nachweisbar. Bloß Berichte und Fotos sind häufiger geworden, weil die Tornados mehr beobachtet werden und heutzutage sehr viele Menschen ihre Kameras stets zur Hand haben.“

Letzten Samstag zog wahrscheinlich ein Tornado bei einem schweren, aber lokal eng begrenzten Unwetter durch den Recklinghäuser Stadtteil Suderwich. Starkregen gab es auch in anderen Teilen des Vestes, aber nur hier wurden in einer Straße 20 Bäume umgeworfen, Mülltonnen und andere Gegenstände wurden umhergewirbelt. Es kam zu Schäden an mehreren Autos, die Oberleitung der Straßenbeleuchtung wurde zerstört, ein Baum kippte auf ein Wohnhaus. Zum Glück kam kein Mensch zu Schaden.

Die Feuerwehr war bis in den späten Abend mit 59 Mann im Einsatz, der Kommunale Servicebetrieb Recklinghausen (KSR) war tagelang mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Von der Castroper Straße entlang der Suderwichstraße über die Ehlingstraße zog sich die Spur bis ins Dorf Suderwich. Doch die Schäden waren eng begrenzt, einige hundert Meter seitlich der Schneise merkten die Anwohner nichts von der Verwüstung. Der Bereich zwischen Katharinenstraße und Schulstraße blieb unversehrt.

„Die Wettervorhersagen sind sehr präzise geworden, so dass man bis auf wenige Meter vorhersagen kann, wo ein solches Unwetter auftritt“, weiß Horst Kreienkamp, Leiter der Feuerwehr Recklinghausen. „Dennoch ist es schwer, die Bevölkerung zeitnah zu erreichen.“ Zum Glück seien die Häuser in Deutschland fest gebaut. „Es sind keine zusätzlichen Maßnahmen nötig. Im Inneren des Hauses ist man sicher“, ist der Chef-Floriansjünger überzeugt.

Natürlich solle man sich während eines solchen Sturmes nicht im Freien aufhalten und Warnhinweise im Radio ernst nehmen, rät Kreienkamp. „Am Beispiel Xanten vor einigen Wochen wird deutlich, was passieren kann, wenn man Warnhinweise der zuständigen Stellen ignoriert.“ Beim Römerfest in Xanten waren mehrere Menschen durch einen Blitzeinschlag verletzt worden, die ausgerechnet unter hohen Bäumen Schutz gesucht hatten. Ein kleines Kind musste wiederbelebt werden, zahlreiche Verletzte erlitten schwere Brandwunden.

Abgedeckte Dächer, umgestürzte Bäume, die Gothaer-Versicherung hat einige Tipps, wie Hausbesitzer solchen häufigen Gefahren begegnen können. Fehlende oder lockere Dachpfannen etwa bilden einen Angriffspunkt für zerstörerische Böen. Stehen große Bäume in Hausnähe, sollten diese regelmäßig auf ihren Gesundheitszustand untersucht und tote Äste sofort entfernt werden.

Hat der Sturm zugeschlagen, sollte mit Notreparaturen keinesfalls noch während des Unwetters begonnen werden. Dringende Aufräumarbeiten werden von der Feuerwehr übernommen. Sind Sturmschäden am Gebäude aufgetreten, sollten diese umgehend der Wohngebäudeversicherung gemeldet werden. Für Schäden am Mobiliar ist hingegen die Hausratversicherung zuständig. „Doch die meisten Hausbesitzer können aufatmen“, meinen auch die Versicherungsexperten: „An den meisten Gebäuden hinterlassen auch heftige Herbststürme keinen Schaden.“

Beim Auto ist übrigens die Teilkaskovesicherung zuständig für Sturmschäden. Klaus-Heribert Doch, Schaden-Experte der Gothaer: „Bei Sturm von mindestens Windstärke 8 (ab 74,5 km/h) werden unmittelbare Sturmschäden wie auf das Auto gefallene Äste von der Teilkasko ersetzt. Eine Vollkaskoversicherung greift bei jeder Windgeschwindigkeit und kommt auch für Folgeschäden auf, wenn der Fahrer einem herabfallenden Ast ausweicht und dadurch einen Unfall verursacht.“

Zur Vermeidung von Sturmschäden empfiehlt Doch, sich insbesondere auf Brücken, Bergkuppen oder in Waldschneisen auf starke Windböen einzustellen, ebenso wie auf plötzlichen Seitenwind beim Überholen von Lkw, Bussen oder Wohnmobilen. „Parken Sie bei starkem Wind oder Sturmwarnung nicht unter großen Bäumen.“

Die Bilder der letzten Sommer zeigen: Wetterextreme wie Starkregen, Überschwemmungen und Fluten haben auch Deutschland erreicht und führen zu Katastrophen für Mensch und Umwelt. Was tun? Im „Fachausschuss Naturgefahren“ der Gothaer wird an Lösungen gearbeitet, das Risiko für den Einzelnen zu mindern und rechtzeitig vorzusorgen. Ausschussleiter Dr. Matthias Land weiß, dass die Bedeutung seines Jobs in Zukunft immer wichtiger sein wird. „Die Häufigkeit und Schwere von Extremunwettern wird in den nächsten Jahrzehnten auch in Mitteleuropa deutlich zunehmen.“

Die Tendenz ist stark steigend: 50 große Wetterkatastrophen wurden in der Dekade 1950 bis 1959 gezählt. Von 1997 bis ins Jahr 2006, also nur 50 Jahre später, hat sich die Zahl weltweit auf 446 verneunfacht, die versicherten Schäden kletterten in diesem Zeitraum von 1,5 Milliarden US-Dollar in den Fünfzigern auf heute 178,3 Milliarden.

Sir Nicholas Stern, ehemaliger Chefvolkswirt und Vizepräsident der Weltbank, prognostiziert, dass sich bis Mitte des Jahrhunderts der jährliche Verlust auf fünf, wenn nicht sogar 20 Prozent des weltweiten Wachstums beziffern wird. Das hieße: Folgen der Wetterkapriolen verschlängen jährlich 2.200 bis 9.000 Milliarden US-Dollar des Weltsozialprodukts. Die versicherten Schäden aus großen Wetterkatastrophen nahmen in Deutschland seit 1960 bereits auf das 26-fache zu.

In der Einschätzung der Risiken aus Naturkatastrophen arbeitet die Gothaer deshalb mit externen Firmen und renommierten Klimaexperten zusammen. In den nächsten 30 Jahren soll sich die Erde um 0,75 Grad erwärmen. Das bedeutet: Auch bei uns wird die Niederschlagsmenge und -intensität zunehmen, während es in den Tropen und Subtropen immer weniger regnen wird. Die Folgen: Noch mehr Hochwasser, Regengüsse, die Flüsse übertreten lassen.

„Diese Mehrbelastungen kann ein Versicherungsunternehmen nicht alleine tragen“, sagt Dr. Land. Versicherungsprofile für Gebäude-, Hausrat-, aber auch gewerbliche Versicherungen werden sich ändern. Künftig werde deshalb vorausschauender gebaut und rechtzeitiger vorgesorgt werden müssen.“ So, wie man etwa sein Haus oder seine Wohnung vor Einbrechern sichert, werde man in Zukunft auch darauf achten müssen, dass ein Haus sicher gegen extreme Wetterbedingungen ist.

Naturkatastrophen kann man nicht verhindern. Aber mit Komplettlösungen von Versicherungen kann man sich zumindest finanziell absichern. Natürlich kann man dem vorbeugen. Schäden am Haus durch Sturm und Hagel können durch regelmäßige Kontrolle des Gebäudes oft vermieden werden. Wenn Dachaufbauten gut befestigt, Bäume auf Fäulnisbildung überprüft und Gartenmöbel oder Sonnenschirme in geschützte Bereiche gebracht worden sind, ist schon eine Menge getan.

Als hilfreich können sich auch Warndienste erweisen: Wetterdienste bieten diesen Service oft gegen geringes Entgelt per E-Mail, Fax, SMS oder Pager an, Versicherungen oft für ihre Kunden sogar kostenlos.

Wie kann man sich vor Tornados schützen?

• Achten Sie auf Informationen aus dem Radio.

• Der sicherste Aufenthaltsort ist ein Keller. Ist keiner vorhanden, am besten einen kleinen Raum ohne Fenster aufsuchen.

• Wenn man draußen ist und nicht rechtzeitig ein Gebäude aufsuchen kann, eine Mulde oder einen Graben suchen und dort flach hinlegen. Autos sind kein sicherer Schutz, auch unter Brücken sollte man sich nicht begeben. Wenn die Zugrichtung des Tornados erkennbar und noch Zeit ist, im rechten Winkel von dem Wirbelwind entfernen.

• Alle Gegenstände in Hof und Garten, die herumfliegen können, sichern (generell, nicht erst vor einem Sturm und natürlich erst recht nicht während eines Sturms oder Tornados).

• Gebäude mit großen freitragenden Dächern meiden.

Samstag, 18. Juli 2009, 14:14 • Verfasst in Vest

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