Hier holte sich Varus seine peinliche Niederlage

Haltern (eib). Über dem westfälischen Bermuda-Dreieck, in dem die Legionen des Varus im Jahre 9 n.Ch. gegen Arminius untergegangen sind, liegt noch immer Nebel. Aber seit heute ist er nicht mehr ganz so dicht. In der Stadthalle und im Römermuseum ist seit heute für fünf Monate die Ausstellung „Imperium“ zu sehen: Eine Schau der Weltmacht Rom, die sich vor genau 2.000 Jahren eine empfindliche Niederlage holte.

Haltern bildet neben Kalkriese (Thema: Konflikt) und Detmold (Thema: Mythos) einen Eckpunkt der größten archäologischen Ausstellung, die es in dieser Form in Deutschland gegeben hat. So schwärmte der Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, Dr. Wolfgang Kirsch, vor fast 100 Journalisten bei der Präsentation. Haltern erwartet 150.000 Besucher (alle drei Stätten zusammen eine halbe Million). Schon jetzt sind mehr als 1.000 Führungen durch die Seestadthalle gebucht.

Was dort zu sehen ist, ist eindrucksvoll präsentiert: Schwarze Räume lenken den Blick auf die wertvollen Exponate. Deckenhohe Panoramabilder vermitteln das Gefühl, wie es damals an der Lippe aussah. Aufstieg und Glanz des römischen Reiches werden durch Münzen, Wandreliefs, Statuen und Bilder fühlbar. Kleine Filme ergänzen die Informationen und selbst Varus wird „sichtbar“ gemacht: Aus einer Seitenansicht rekonstruierte das Landeskriminalamt ein Phantombild.

300 hochkarätige Exponate sind zu sehen. Aber auch 15.000 Playmobil-Soldaten. Sie stellen im Römermuseum den Marsch der drei Varus-Legionen nach. In der Realität waren es vor 2.000 Jahren mehrere Kilometer, im Museum sind es immerhin noch 220 Meter.

Kinder und Jugendliche können sich die Exponate aus „Imperium“ von Gleichaltrigen erklären lassen. 15 Schüler aus sieben westfälischen Schulen haben einen akustischen Film produziert und sprachen die getexteten Exponaterklärungen für ihren „mp3-Führer“ ein.

12 Millionen Euro kosten die drei Ausstellungen in Haltern, Detmold und Kalkriese.

In Kalkriese ist zu sehen, wie der Cheruskerfürst Arminius den gestandenen Feldherren Varus besiegte und was die Germanen nach der Schlacht machten. Detmold zeigt die Folgen der Niederlage für die Geschichte Europas und Deutschlands. Und muss sich damit befassen, wie rechte Gruppierungen die Ausstellung missbrauchen wollen.

Ein „Beweis“ für die Varusschlacht liefern die Ausstellungen nicht, mehr eine „Indizienkette“, wie Juristen und Archäologen übereinstimmend erklärten. Immer neue Funde lassen aber auch Haltern in einem neuen Licht erscheinen: War es vielleicht jenes sagenhafte „Aliso“, die einzige in der Geschichtsschreibung namentlich belegte militärische Anlage in der Zeit der Varusschlacht? Museumsdirektor Dr. Rudolf Aßkamp ließ die Frage offen. Es gibt doch noch vieles zu erforschen.

Samstag, 16. Mai 2009, 14:00 • Verfasst in Vest

1 Kommentar:

Wydmond schrieb,

Kommentar • 4. Februar 2011 @ 14:04

Schönen guten Tag,

leider muss ich Ihre für Haltern gewiss förderliche Traumblase vom Platze des historischen Nachschubkastells “Aliso” zum Platzen bringen.

Die Quellen sagen ganz eindeutig, dass Aliso am Zusammenfluss der Lippe und des “Alison” angelegt wurde. Dieser alte west-urgermanische Gewässername hat sich heute nur noch im Ortsnamen “Elsen” erhalten (einst ein bloßer Flurname, weiter nichts) - der spätestens 1036 in der “Vita Meinwerkii” als “Ilasan” erwähnt wird, ein Name, der durch Metathesis aus “Alisan” verändert wurde. Schon hier erkennt man, dass der einstige Gewässername sich im einstigen Flurnamen erhielt. Übrigens hatte Bischof Meinwerk auf der Halbinsel vom heutigen Schloss Neuhaus damals eine neue Burg (”Nye Hus”) angelegt, was auch auf eine vorhergehende Befestigung einfacher Art schließen lässt.

“Alisan” selbst ist der west-urgermanische Plural von “Erle”, heißt also “Erlen”, wahrscheinlich nannten die dort ansässigen Germanen ihn “Alisan-Aha” (”Erlenwasser”). Dieser ursprüngliche Gewässername wurde von den eindringenden nordgermanischen Sachsen Jahrhunderte später zu “Aliran” (ebenfalls “Erlen”). Dieser Name hat sich im Wasserlauf “Eller” bzw. “Ellerbeke” erhalten, der südlich von Paderborn mit der Alme (”Ulmenfluss”) zusammenfließt. Bekannt ist, dass Ulmen nicht in sumpfigen Niederungen wachsen, sondern Erlen, gemischt mit wenig Grauweiden. So ist klar, dass - vielleicht im Laufe von Gewässerlaufverschiebungen - auch der Unterlauf der einstigen “Alison” den Name des Oberlaufes (”Alme”) annahm.

Nur die Halbinsel des Schlosses Neuhaus erfüllt also die Voraussetzungen der geografisch ganz klaren Quellenangaben. Dass 1905 ein Berliner Archäologe auf der Halbinsel ein wenig grub (keineswegs systematisch), heißt nicht, dass dort nicht das Uferkastell Aliso stand, das Prätorium dürfte auch unter den Fundamenten des Schlosses verborgen sein, einstige Wälle längst abgetragen und/oder abgeschwemmt worden sein. Die Sprachwissenschaft hat unmissverständlich diesen Ort als den Ort von Aliso lokalisiert.

Für Haltern spricht, außer vielleicht die größere Nähe zum Rhein, nichts, aber alles dagegen. In allernächster Nähe von Aliso befand sich des Varus Lager sowie der Tumulus und die Tropaea Drusi, die beim Herannahen der Legionen des Germanicus von den Aliso belagernden Germanen zerstört wurden. Wird jetzt auf Haltern so herumgeritten, um Kalkriese auf Deubel komm raus zu retten? Fast scheint es so. Weder gibt es den Alisofluss, der Halterns Lager umfließt noch das Lager des Varus in unmittelbarer Nähe, jedoch alles bei Schloss Neuhaus. Das Lager des Varus befand sich nämlich auf dem Wilhelmsberg, 400 m nördlich von Aliso, beide Lager bildeten so eine Einheit. Der Nachschub, der in Alisos Lagerschuppen gelagert war, wäre nicht zig Kilometer weit zu transportieren gewesen, aber 400 Meter auf Maultierkarren, das ging noch problemlos. Wo denn dann wohl der Tumulus ist? Nun, die Reste sind auf dem Satellitenfoto etwa 90 Meter vom Westtor entfernt noch klar auszumachen. Englische Militärfotos zeigen 1945 ganz eindeutig die typischen Lagerspuren (abgerundete Lagerecken). Ich habe dazu einen Artikel verfasst.

Und letztlich: Wo ging Varus unter? - Im eigenen Lager durch Verrat der im Lager stehenden cheruskischen Hilfstruppen anlässlich eines allgemeinen Lnadtages, den er höchst unbedacht abhielt (”Ausus ille agere conventum et in castris ius dicebat”). Um diese Schande zu verbergen, erfanden Senatsschreiber in des Kaisers Auftrag die Mär vom dreitägigen Todesmarsch.


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